von Lilly Frost
Wir haben eine WhatsApp-Mädels-Gruppe. Also, eigentlich sind wir natürlich schon lange Frauen. Wir haben gemeinsam das Gymnasium besucht und maturiert. Und das schon vor vielen Jahren (ähm Jahrzehnten). Wenn uns nicht gerade Corona heimsucht, treffen wir uns gelegentlich zum Essen, Quatschen, In-der-Vergangenheit-Schwelgen und zum Austauschen aktueller Neuigkeiten. In Zeiten wie diesen behelfen wir uns mit dem WhatsApp-Chat.
Heute schickte eine meiner Schulkolleginnen eine Geburtstagsanzeige in die Runde. Ein Bild unserer früheren Englisch-Professorin samt Glückwunschtext füllte das Display meines Handys aus. Und schon waren sie da: eine Fülle von Erinnerungen.
Streng war sie, die Frau Professor! Nicht umsonst unterrichtete sie früher auch Studenten an der Universität. Wenn ich das Foto so betrachte, hat sie sich gar nicht sehr verändert seit damals.
Kaum fluteten die ersten Assoziationen meinen Kopf, ging es im Chat auch schon los:
„Wahnsinn, ich hätte nicht gedacht, dass die noch lebt!“
„Ich hab‘ immer an sie gedacht, wenn ich ihren Sohn im Fernsehen gesehen habe. Er ist ja DER Infektiologe in Salzburg.“
„Stimmt! Jetzt mit Corona sieht man ihn ja jeden zweiten Tag bei Salzburg heute.“
„Sie hat schon sehr viel gefordert, aber ich habe sie gemocht.“
„Das Mündliche war ihr enorm wichtig. Das kam mir zugute!“
„In jedem Fall haben wir extrem viel bei ihr gelernt. Und sie hat uns einmal zu sich nach Hause eingeladen.“
„Daran erinnere ich mich auch noch!“
„Aber wehe, wenn jemand das „th“ nicht richtig aussprechen konnte. Da verstand sie keinen Spaß!“
„Ich erinnere mich bis heute an Folgendes: All animals are equal, but some are more equal than others.“
„Ich kann mich noch erinnern, dass wir in der Früh immer aufstehen mussten. Dann hat sie uns deutsche Sätze hingeworfen, die wir in die von ihr geforderte Zeit übersetzen mussten. Wer einen Fehler gemacht hat, musste sich hinsetzen.“
„Da durfte ich bestimmt immer gleich Platz nehmen!“😊
In den letzten Jahren habe ich immer wieder einmal an meine frühere Englisch-Professorin gedacht und mich gefragt, ob sie wohl noch lebt. Sie ist mir in lebhafter Erinnerung geblieben, gerade weil sie so viel forderte, uns dabei aber auch stets förderte.
Wir kamen immer gut miteinander aus, obwohl sie meinen leichten amerikanischen Akzent nicht besonders schätzte. (Früher war in der Schule ausschließlich britisches Englisch gefragt!). Dafür konnte ich mit tadelloser Grammatik, einem guten Schreibstil und einem breiten Vokabular punkten.
Happy Birthday zum 90. Geburtstag, Frau Professor! Wir wünschen Ihnen alles Gute und weiterhin viel Gesundheit!
Ihre 8B
© Lilly Frost 2021-01-23