von Isi Dora
singe ich ins Telefon. Ich bin die erste, die heute gratuliert. Ich kämpfe dennoch mit den Tränen, ich kann nur mit ihr sprechen.
Das letzte Jahr hat genauso gut und schlecht aufgehört, wie das Neue begann. Was sollte man sich auch inmitten einer Pandemie anderes erwarten, erhoffen? Die Worte, die Gefühle dazu werden immer unklarer, schwerer.
Mama war aufgrund von Platzproblemen nochmals verlegt worden. Immobil, geläutert, depressiv, kraftlos, willenlos – Corona leistete ganze Arbeit.
Mittlerweile ist sie vier Wochen bettlägerig, sämtliche Muskeln sind abgebaut, nicht mal die Notdurft kann sie mehr verrichten – ein Dauerkatheder muss sie dabei unterstützen. Sie durfte entlassen werden zur vorübergehenden Kurzzeitpflege zu Papa. Welch Freude, nach so vielen Wochen, Monaten, die beiden wieder vereint – Winter und Sommer. Kälte und Hitze.
Zwei Stunden “Mobilisation” – im Rollstuhl, danach ist sie den restlichen Tag erschöpft im Bett. Ein Physiotherapeut darf nicht ins Pflegeheim. Oft erbricht sie, wenn sie mehr als ein paar Löffel isst. Übelkeit begleitet sie regelmässig. Sie ist geistig ab und zu verwirrt, kennt die Regeln von einfachen, ihr Leben lang gespielten, Kartenspielen nicht mehr.
Wie vielseitig Covid-19 sein kann, das erleben wir nun hautnah. Ja sicher, sie war vorher schon nicht fit, sie ist heute 69 Jahre alt geworden. Wir sind sehr froh, dass sie die akute Infektion überstanden hat, aber es werden viele Monate vergehen, wenn überhaupt, um sie wieder dort zu haben, wo sie vor vier Wochen war, und wenn sie aus verschiedensten Gründen nicht die passende Unterstützung bekommen kann, dann wird es noch länger dauern.
Nicht nur er ist nun alleine hilflos, nein, auch sie. Nun bekommt sie die gleiche Aufmerksamkeit, die ihm zuteil wird. Innerhalb von 6 Monaten beide Eltern komplette Pflegefälle, kaum erreichbar, schwer unterstützbar, auch aufgrund der Pandemie.
Ich möchte Kraftsuppen kochen, Blut aufbauen, Tees zubereiten um den Magen und die Milz wieder auf Vordermann zu bringen. Dort liegt der Beginn der Genesung. Doch wieder (noch immer – und immer wieder) bin ich zu weit weg, weggesperrt sind sie.
Hilflos sitz ich und schaue in die Winterlandschaft, überlege, wie ich die Suppe organisieren kann.
Ich war traurig, dass ich nicht “Papas besten Freund” dazu gewinnen konnte, heute zu ihm zu seinem Tag zu kommen, aber der hat leider selbst schwere Erkrankungen im engen Kreis.
Glücklicherweise fanden wir einen anderen guten Freund, der Papa heute nach vielen Monaten von Weitem sehen wird, und stellvertretend mit einem Ständchen eines Hamonikaspielers zum Geburtstag gratulieren wird. Ich bin ihm sehr dankbar dafür!
Eine Schwester hat sich schon lange für den heutigen Tag angemeldet. Sie wird dabei sein.
Feiert zusammen einen schönen Geburtstag! Die Sonne scheint mir ins Gesicht. Ich bin mit meinen Gedanken genau dort, wo ich gerne sein würde. Hilflos und traurig und doch glücklich über ihr kleines Glück.
© Isi Dora 2021-01-09