Harfonie auf dem Everest

Klaus P. Achleitner

von Klaus P. Achleitner

Story

Zielstrebig, fest, dabei fast zärtlich streichen ihre schmalen Finger über die Saiten des Instruments. Völlig in sich gekehrt, die Augen halb geschlossen, den Kopf leicht geneigt, entlockt sie der Harfe wunderbare Töne. Sie spielt Klassik, sogar Mozart, einen Tango Argentino, Blues. Ich wusste nicht, dass das ein so „vielsaitiges“ Instrument ist.

Als die Einladung ins Haus flattert, dass im neu gebauten Foyer eines nahen Industriebetriebes, der Holzleisten fabriziert, ein Harfenkonzert stattfindet, bin ich sofort Feuer und Flamme. Ich kenne die Harfistin flüchtig von früher. Und die location interessiert mich, also besorge ich zwei Tickets.

Eine kleine Bühne, zwei Harfen und dazwischen die Künstlerin, die zu den jeweiligen Stücken eine Geschichte erzählt. Abwechselnd setzt sie sich an eines der Instrumente und spielt, während ein paar Meter weiter die Abendschicht Holzleisten über ein Förderband laufen lässt. Das außergewöhnliche Konzert endet mit Brötchen, Drinks und einer entspannten Unterhaltung.

Einen Tag später die 50-Jahr-Feier des Alpenvereins Thalgau. Ich bin kein Mitglied, eine Freundin hat mich überredet. Sie musste nicht lange bitten, als ich erfuhr, dass der Zillertaler Extrembergsteiger Peter Habeler, auch schon bärige 80, da ist. Jener Mann, der mit Reinhold Messner 1978 den Mt. Everest ohne Flaschensauerstoff bestieg – erstmals, versteht sich. Und ein paar Jahre früher die Eiger-Nordwand – im Winter, versteht sich. Und den El Capitan im Yosemite-Tal – mit Bestzeit, versteht sich.

Extrembergsteiger und andere Sportler erzählen gerne von ihren Rekorden und Bestzeiten. Für mich, der ich zwar gerne die senkrechte Drachenwand im Abendrot betrachte, aber nie auf die Idee käme, da freiwillig raufzuklettern, klingt das alles verrückt.

Ich wandere gerne auf den einen oder anderen -Kogel, -Spitze oder -horn, von denen wir im Salzkammergut genug herumstehen haben. Aber in einer eisigen Winternacht in einer Wand biwakieren? Sich nur mit den Fingern über eine überhängende Wand hangeln? Wochenlange Akklimatisierung, um sich anschließend in die Todeszone jenseits der 8.000 m zu begeben?

Noch interessanter die Anekdoten, die Habeler in seinen mitreißenden Vortrag einstreut. Bärig. 1974 kletterte er mit einer so schönen wie talentierten Italienerin in den Dolomiten. Er stieg vor, sie kam nach. Nachfolgende Bergsteiger flirteten mit seiner Begleiterin, was ihn derart ablenkte, dass er den Halt verlor und 50 m ins Seil stürzte. Er fing sich wieder und kletterte wieder hoch, während die Frau ihn mit zerschundenen Gliedern in der Schlucht wähnte. Besagte Dame stürzte ein Jahr später in den Tod.

Du fragst Dich, was Bergsteigen mit einem Harfenkonzert zu tun hat? Nun, im Grunde so viel wie Radfahren mit Singen. Nämlich gar nichts. Das einzig Verbindende ist, dass ich beide so verschiedenen Veranstaltungen binnen 24 Stunden besuchte. Und bei beiden keine Minute bereut habe, versteht sich.

© Klaus P. Achleitner 2022-11-26

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