#hashtag

Als ich die Abendnachrichten sehe, schafft es die Meldung, dass Facebook und Co down sind, tatsächlich in den Meldungsblock. Menschen, so der Moderator, hätten sich schon beim Staatsfunk gemeldet und nachgefragt, was da los sei. Ich staune nicht schlecht und raune: “Sic transit gloria mundi!” Dann muss ich laut lachen. Klar, ist mir auch aufgefallen, dass die Timeline seit heut morgen furztrocken bleibt. Hat mich aber nicht weiter interessiert, weil ich tatsächlich ein Leben neben social media hab.

Etwas sorgenvoll schaue ich aus dem Fenster, ob die ersten Gebäude vielleicht schon brennen, Teenager-Mütter in Verzweiflung ihre Babys schon zum Verkauf anbieten, ob die große Kohle vielleicht schon mit Hinterhof-Hundekämpfen zu machen wäre, ob vielleicht gar schon geplündert wird… Nicht, dass das gute Zeug schon weg ist, noch bevor ich meine Hosen anhab! Alles ruhig draußen. Eigenwillig. Doch dann wird mir klar: Kann ja kein Aufstand sein, denn die Dummbratzen hocken ja alle verheult, körperwippend mit dem Handy da und starren apathisch auf leere Timelines, nervlich völlig am Ende, weil sie seit Stunden nichts gehashtagt haben, der Welt nicht mitteilen können, was sie gegessen haben, weil niemand sieht, wie sie eine Entenfresse ziehen, als hätten sie ’n Schlaganfall, und wie der trainierte Arsch in der neuen Tik Tok-Buxe zur Geltung kommt. Was für ein Schicksal, den medial-gesellschaftlichen Abstieg so völlig hilflos über sich ergehen lassen zu müssen!

Und als die Systeme wieder laufen, postet die erste Hohlbirne: “Geht Facebook bei euch auch nicht?” „Wenn du das posten kannst, dann gehts doch wieder!“, murre ich und stell mir die Frage, ob diese Person es schafft, sich richtig rum aufs Klo zu setzen und wenn, ob sie dran denkt, vorher den Deckel hochzuklappen.

Das Volk verblödet. Das ist keine Mutmaßung. Das ist Fakt. Menschen verkümmern geistig und emotional beängstigend schnell. Die Sprache stirbt, Worte werden zu Symbolen, Sätze auf dummbräsig grinsende gelbe Gesichter reduziert. Die Liebe, sanftgewaltig in ihrer Kraft, verliert gegen emotionskalte Massen-Likes. Stumpfe Aggression verdängt den respektvollen Disput. Menschen wissen nur noch das, was man sie wissen lässt, Mainstream-Allgemeinwissen – vorgefiltert nach Trends. Und alles, alles wird geglaubt, nichts wird mehr hinterfragt. Eigene Meinung weicht ängstlich verschreckt der Schreigewalt der Masse. Seelenrührend warme Stimmen fallen dem Schweigen anheim. Ich fühl mich als Zugehöriger einer aussterbenden Art, weil ich kritisch hinterfrage, was ich lese, weil ich noch selber denke. Die Dummheit obsiegt.

In der Gruppe “Tattoofrei” lese ich, dass Tattoo-Tinte aus lebenden Babytintenfischen gepresst wird und für die Tätowiernadeln Babyigeln die Stacheln ausgerissen werden. Erbost ruf ich meine Schwester an, brülle “Du mieser Tintling! Igelmöderin!” in den Hörer, lege auf, und dann entfreunde ich sie auf Facebook.

#sodisappointed