von Sofia Scherer
Nico: „Ich wusste immer, dass du alkoholisiert bist…
Wow wie rede ich gut deutsch! Das ist unglaublich!“
Als ich ein Jahr lang ins Ausland verschwand, um mit Schwung in die dänische Kultur zu tauchen, hatte dies natürlich Auswirkungen auf Nicos Leben. Plötzlich war ich nicht mehr da und konnte ihn nicht ermahnen, wenn er etwas Doofes im Schilde führte. Dies hatte schließlich zur Folge, dass es bei Nico bergab ging – und das im Turbogang. Er begann sich wie ein Maranza (=Talahoon) zu kleiden, rauchte Zigaretten und Vapes. Ich war schockiert als ich wieder zurückkam.
Eines Tages kam ich zu Nico. Er sah total fertig aus, saß wie ein Häufchen Elend hinter dem Tisch und sagte fast nichts. „Was ist los?“, erkundigte ich mich besorgt. Er brummte etwas Unverständliches. „Bitte deutlich!“, befahl ich. Er rollte mit den Augen. „Ich hab seit vier Tagen nicht geraucht! Meine Vape ist leer!“, murmelte er. Ich lachte und hatte kein Mitleid. Er fand das natürlich weniger witzig. Erfolglos versuchte er auf Instagram mit dubiosen Kerlen Kontakt aufzunehmen, die ihm netterweise die Vape direkt ins Kinderzimmer liefern sollten. Leider hatte keiner der Unbekannten Zeit. Also musste er da durch.
Zwei Tage später war es soweit. Er hatte einen „Kumpel“, oder wie auch immer, erreicht und konnte es nicht erwarten, das Produkt der Begierde in seinen Händen zu halten. Anstatt sich auf Mathematik zu konzentrieren, chattete er mit dem Unbekannten. Gleichzeitig befürchtete er, seine Eltern würden vom Wocheneinkauf zurückkehren und dem „Lieferant“ vor die Füße laufen.
„Ich scheiße mir gerade so dermaßen in die Hosen“, sprach er und schüttelte den Kopf, „Ich habe so Angst! So Angst!“ Als der „Lieferant“ endlich vor dem Haus war, stürmte Nico mit Talahoon-Jacke bekleidet hinaus. „Wenn meine Mutter kommt – ruf mich an!“, rief er noch. Ja, danke. Was sollte ich seiner Mutter sagen? Dass Nico einen kleinen Spaziergang macht? Gott sei Dank kam er nach drei Minuten wieder zurück. Die Freude und Erleichterung war ihm ins Gesicht geschrieben. Noch nie hatte ich ihn so glücklich gesehen. „Kannst du bitte die Verpackung entsorgen? Meine Eltern dürfen sie nicht sehen!“ Nett wie ich war, stopfte ich den Karton wortlos in meine Tasche. Dafür musste er mir versprechen, dass dies seine letzte Vape war (wer’s glaubt wird selig). Wie ein Kleinkind zu Weihnachten hielt er seine Vape in den Händen und zog schließlich daran. Natürlich blies er mir den stinkenden Rauch direkt ins Gesicht. „Boah so geil“, sagte er und reichte sie mir: „Probiere!“ Obwohl mich diese Dinger ekelten, machte ich einen Zug. Nein, ich mochte es nicht. Nico lachte mich nur aus und dann erinnerte ich mich daran, was er mir sonst noch alles an den Kopf warf. Warum auch immer war er der festen Überzeugung, dass ich in meiner Freizeit im Stadtpark verbringe, dort im Schatten der Bäume lag und Marihuana rauchte.
Nico: „Sofia was hast du davor geraucht, dass du so komisch bist. Hast du heute im Auto eine Canna fumiert*?“
*ital. fumare = rauchen
© Sofia Scherer 2025-02-20