Haus-tier

metaphrasant

von metaphrasant

Story

Wenn ich morgens aufwache, dann schau ich mir den Schatten an, den er wirft. Ich kann nicht anders, so scheint es mir. Ich habe ihn vor meinem Latz. Ich will ja wegschauen, aber er ist in mein Leben eingezogen. Ein mit Zacken gespickter, langer Schwanz, gefolgt von einem massiven Körper. Auf seinem Rücken finden sich Knochenplatten, die sich als Zacken von der feinen Linie seiner Körperform abheben. Wozu sind die da? Drohgebärde munkelt man.

Was kann ein verdammter Dinosaurier anderes als allgegenwärtig sein. Ich sehe noch immer nur sein Hinterteil; das ist mein Haustier, mein Stegosaurus – das Haustier, das mich zum Haustier macht. Nun bin ich hier daheim – das kleine Säugetier, das sich versteckt.

Ich frage mich, was sein Hals macht, wenn ich den dann zu sehen bekomme. Das ist nur eine Frage der Zeit. Was kann die anderes als vergehen?

Ist wie ein Adventskalender, aber mit Wochen statt Tagen – jede Woche eine neue Zacke. Ich frage mich seit Tagen, was ich sehen werde, wenn ich beim Hals bin. Wann wird das sein? Keine Ahnung; da ist dieser Nebel. Wie sieht es dann aus? Säuft der Stegosaurus oder grast er? Kümmert er sich um den Moment, um das, was anliegt? So ein Saurier ist hungrig.

Schaut er in die Ferne; auf das, was kommen mag? Neugierig, den Hals ganz hochgereckt, denn es muss weitergehen. Nur was? Meine Grünpflanzen stehen auf dem Fenstersims. Dafür müsste er sich auch mal auf die Hinterbeine stellen. Tja, was wird er machen?

Dem aufmerksamen Lesenden wird aufgefallen sein, dass ich ja gar keinen Stegosaurus haben kann. Richtig. Vor meinem Latz habe ich die Corona-Kurve von Deutschland, die wie eine Stegosaurus-Zeichenschablone aussieht (www.zeit.de). Ich frage mich trotzdem, was für ein Saurier hier gezeichnet wird – Woche für Woche. Das hat schon auch was mit Sauriern zu tun. Sehe ich in der Schablone vielleicht nur den Kopf? Der Schwanz ist viel flexibler bei so einem Stegosaurus und der ist die echte Keule.

Ich kleiner Säuger bin mal in meiner Höhle. Der Himmel glüht schon so komisch und der Weihnachtsmann könnte Steine werfen. Da kann ein verdammter Dinosaurier auch nicht anders als die Zeit – vergehen – kein Festklammern. Es lohnt sich nicht, den Hals nach der grüneren Wiese da hinten zu recken. Das Leben muss durch alle Momente hindurch, bis es dann da ist. Die Zeit frisst alles, auch Saurier. In einer Höhle wartet etwas Neues mit einem weichen Fell, um in die Welt zu treten – jenseits von Zacken, aber auf zack. Ich kuschle mich mal daran.

© metaphrasant 2020-12-11

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