Hawaiipizza ohne Thunfisch

Rebecca Borde

von Rebecca Borde

Story

Gestern musste ich zum ersten Mal, seit ich eine Pizzeria habe, Hausverbot erteilen. Es war Donnerstag und wenig los, weil Donnerstag Dönerstag ist. Es war kein guter Tag für Pizza und erst recht nicht für Hawaiipizza ohne Thunfisch.

An Tisch drei saß eine Familie. Zwei Kinder, zwei Erwachsene, eben eine klassische Bilderbuchfamilie. Der Vater fragte, wie es in der Schule war, als hätte ihn das wirklich interessiert, und die Kinder sagten, es sei gut gewesen, wobei ihr Gut kaum zum Klang ihrer Stimme passte. Ihr Vater nickte, als würde er ihnen glauben, und sie schwiegen.

Tisch eins wurde von einem lustigen Mädelsabend Ü40 besetzt. Fünf Frauen mit Eheringen aus Gold, Herzen aus Silber und einer Menge Gelächter, das so kalt klang, dass man die Herzlichkeit in ihren Augen leicht übersah. Einige hatten sich die Haare kurz schneiden lassen, das war praktischer, seit sie die Kinder hatten. Andere trugen ihr Haar lang und blondiert und sie alle brauchten einfach mal eine Pause von ihren Männern. So ertränkten sie gescheiterte Ehen in Weißweinschorlen.

Ein älterer Herr saß an Tisch vier, wie jeden Donnerstag um sechs. Er bestellte ein alkoholfreies Hefeweizen und eine Margherita. Manchmal sprachen wir über das Wetter und überlegten, wieso Pizzaschachteln eckig sind.

Am zweiten Tisch saß ein junges Paar. Er wirkte nervös und bestellte Hawaiipizza ohne Thunfisch. Aber sie lachte und wollte eine Thunfischpizza ohne Ananas haben. Er fragte sie, ob sie nicht lieber einen Salat haben wolle und ich erklärte ihm, sie könne essen, was immer sie wolle. „Misch dich da nicht ein“, zischte er und ich blieb stumm, als ich Bauernsalat auf meinen Block kritzelte. Dann fragte er, ob sie auch am Tisch vier sitzen könnten und ich sagte Nein, weil der schon besetzt sei. „Du bist ganz schön frech“, fand er und ich lächelte freundlich. „Vielleicht sollten Sie sich eine andere Pizzeria suchen“, schlug ich vor. Er sagte, er wolle den Inhaber sprechen und ich sagte, dass ich das sei. Er lachte. Das Geräusch wurde von einem klirrenden Glas übertönt. Die Stimmung war angespannt. „Hol jetzt den Chef her!“, rief er.

„Ich möchte, dass Sie mein Lokal verlassen“, sagte ich und er lachte wieder, ich aber nicht. Jeder sah zu, aber niemand sagte etwas. Es fühlte sich an, als sei die Zeit im Leben der anderen stehen geblieben und nur bei uns hatte jemand Play gedrückt. Er stand auf, spuckte auf den Boden und nahm sich Pizzabrötchen. Während er ein Stück abbrach, sah er mir in die Augen. „Scheiß Schlampe.“

„Komm, wir gehen“, sagte er kauend. Sie zögerte sichtlich schockiert und doch nicht überrascht. „Sie kann bleiben“, sagte ich und er sah mich wieder an. „Und ich sage, sie geht.“ Ich warf ihr einen Blick zu. „Ich glaube, ein Platz an Tisch vier ist doch noch frei.“ Sie nickte. Er ging. Dann erklärte sie meinem Stammkunden, wieso Pizzaschachteln eckig sind, ich setzte mein Lächeln auf, die Frauen stießen an, die Familie schwieg und niemand sprach je wieder über diesen Donnerstag.

© Rebecca Borde 2022-06-01

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