Heb die Füße – der Witz kommt

Kathrin Schink

von Kathrin Schink

Story

„ Mein Freund und ich sollten ein Witz-Buch rausgeben. Unsere Witze sind so flach, dass du die Füße heben musst, wenn sie kommen.“

Meine rechte Augenbraue schnellt in die Höhe.

„Hier, zum Beispiel: Hab gestern Brötchen angerufen. – War belegt.“

Ich denke: Woher kennt der bloß Brötchen? Der ist doch letztes Jahr verstorben.

Mein Sohn sieht, dass es bei mir rattert. Nur erklären kann er es sich nicht. Er erwartet, dass ich lache.

Nachdem ich mir sicher bin, dass der Witzerzähler Brötchen nicht kennen kann, ändert sich das Ziel meines Suchassistenten im Gehirn. Ah, ein belegtes Brötchen! Die Verknüpfung ist hergestellt. Aber wieso hat er ein Brötchen angerufen?

Okay, „anrufen“ passt zu „belegt sein“. Der geduldig Wartende wird erlöst. Ich lache, den Erwartungen entsprechend, los.

Den Plan solche Witze zu sammeln, bestärke ich sofort. Perfekt, um sich die Zeit zu vertreiben – unlogisch genug, dass man am Ende trotzdem lacht. Nun fahndet mein interner Suchassistent nach der Bezeichnung für die Rätsel, die nach eben diesem Prinzip aufgebaut sind, um unser kreatives Denken zu trainieren.

Was ich finde, ist am Ende das japanische Wort Kōan. Dieses bezeichnet in der Zen-Praxis eine Frage, eine Art Rätsel, bei dem je nach aktueller Situation eine rationale Antwort erwartet wird, oder keine. Gestellt wird sie vom Zen-Meister an den Schüler, entweder zur Meditation oder um zu ermitteln, ob der Schüler ein Erleuchtungserlebnis hatte. Der tiefere Sinn erschließt sich kaum durch Denken. Intuitiv, frei von Worten, entfaltet sich eine besondere Wirkung.

„Was tut die durchsichtige gelbe Fliege, sich dem Appel nähernd, ihres Lebenszieles gewärtig?“

Da braucht es wohl nur noch ein laut schallendes Lachen, dem donnernden „Ho!” des Zen-Meisters gleich, um aus der Versenkung wieder heiter im Hier und Jetzt anzukommen.

© Kathrin Schink 2020-03-26

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