von Anna Geier
Im Juli übe ich jedes Jahr einen besonderen Sport aus. Es ist das von mir entwickelte Heidelbeeryoga. Die Beute will eingesammelt werden und da die Biester so klein sind, ist es eine anstrengende Übung.
Zuerst muss ich einen geeigneten Platz finden, um mein Vergnügen erfolgreich ausführen zu können. Mit verschiedenen Übungen die ich entwickelt habe, übe ich Durchhaltekraft und Ausdauer. Einige Körperteile werden dabei besonders beansprucht. Mit dem herkömmlichen Yoga ist die waldviertlerische Form auch ein wenig verwandt.
Der Heidelbeerhund ist eine grundlegende Übung, um an die Beute heranzukommen. Ich pflücke meist bergauf, damit sich mein Rückgrat nicht komplett ausrenkt. Danach möchte ich wieder auf zwei Beinen unterwegs sein können. Alle yogaaffinen Übenden und Yogalehrer mögen mir jetzt verzeihen, wenn ich Übungen gröber verändere, damit ich ohne Schmerzen aus dem Wald wieder hinauskomme.
Beide Beine am Boden, mit Blick zum Hügel, tief Luft holen, gebeugte Hände zum Boden und los geht es. Fingerfertigkeit wird jetzt geübt. Da die Heidelbeeren gerne Verstecken spielen, muss genau getastet werden, wo sich die reifen Früchtchen befinden. Die Ernte kommt sofort in den Kübel. Wenn der Ischiasnerv zu ziehen anfängt, ist Positionswechsel angesagt.
Nächste Übung: Hinknien mit dem rechten Knie, linkes Bein angewinkelt, Hände Richtung Beeren und los geht es. Nach fünf Minuten folgt der Seitenwechsel.
Nächste Position: Karate für Anfänger, lauter Schrei um die Heidelbeeren zu erschrecken und wiederum geht das Pflücken weiter. Nach weiteren zehn Minuten gibt es eine Ausgleichsübung: Ab auf die Heidelbeermatte. Die Kleidung sollte leicht und dunkel sein, sonst sieht man zu viele blaue Flecken, die missinterpretiert werden könnten.
Danach folgt der Baum. Wenn ich schon im Wald bin, dann ordentlich, will mich einfühlen in die großen Geschöpfe und mich nicht nur am Waldboden mit den Ameisen quälen. Manchmal mache ich Waldyoga für Fortgeschrittene: Liegen am Waldboden und den prickelnden Protest der Ameisen spüren, die über mich drüberkrabbeln, weil ich mich auf ihre Straße gelegt habe.
Danach folgt wieder eine Basicübung zum Verbessern der Leistung. Heidelbeermelken mit beiden Händen. Yoga bei 30° hat den Ganzkörpereffekt der Sauna. Der Standspagat ist nicht empfehlenswert, da zuwenig im Kübel landet. Stehend, sitzend, kniend, jede Heidelbeerasana ist eine ernsthafte Übung, die sanft ausgeführt, meine Wirbelsäule, die manchmal Wirbel macht, ohne Verletzung übersteht.
Als Abschluss folgt die letzte Übung als Höhepunkt: Hammaollebeieinanda mit einem Juchiza, denn das Heidelbeerworkout ist somit beendet.
Zu Hause folgt der nächste Schritt, die Verarbeitung zu Heidelbeermarmelade.
© Anna Geier 2021-07-28