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Eva-Maria Fontaine

von Eva-Maria Fontaine

Story

Geboren wurde ich in einem kleinen Eifeldorf. Wir wohnten auf einer Anhöhe, direkt neben der Schule und morgens bot sich mir ein wunderbarer Blick auf das Tal mit vielen friedlich rauchenden Schornsteinen auf kleinen Backsteinhäusern. Mitten im Dorf gab es ein paar Bauernhöfe mit angebauten Scheunen, direkt an der grossen Strassenkreuzung lag die Metzgerei. Am Schlachttag wurde das Blut der frisch erlegten Schweine direkt im Abfluss vor dem Geschäft entsorgt. Damals störte sich keiner daran. Den Geschmack der duftenden rosa Fleischwurstringe, die bald darauf noch warm und dampfend an dicken schwarzen Eisenhaken im weiss gekachelten Verkaufsraum hingen , werde ich nie vergessen. Kein Vergleich zur heute angebotenen in orangefarbenes Plastik eingeschweißten, trockenen und fad schmeckenden Variante. Kein Wunder, dass meine Mutter später bei unseren Besuchen in Erdorf immer mindestens einen Ring der geliebten Wurst für die Familie erstand. Dazu gab es eine Scheibe frisches Eifelbrot, einfach köstlich. Das Brot stammte von einem Bäcker in Stadtkyll. Auf dem Rückweg nahmen meine Eltern notgedrungen diesen Umweg in Kauf, um sich den Duft und den Geschmack ihrer alten Heimat noch ein paar Tage in unserem neuen Kölner Zuhause zu bewahren. Es dauerte nicht lange, bis wir 3 Kinder alle Mitbringsel vertilgt hatten, wobei ich es zugegebenermaßen immer schaffte, das größte Wurststück zu ergattern. Dann hieß es warten bis zu unserem nächsten Besuch im Eifeldorf. Einmal im Monat zog es meine Eltern zurück in ihre alte Heimat. Wir wohnten damals bei einer befreundeten Bauersfamilie, die uns immer herzlich aufnahm und liebevoll bewirtete.

Ich wurde älter, besuchte mittlerweile das katholische Mädchengymnasium im 10 Kilometer entfernten Brühl, so wie es sich meine Mutter für mich und meine Geschwister erträumt hatte. Mein Tag war fest verplant, es blieb wenig Zeit für Träumereien, freundlich rauchende Schornsteine gab es in unserem Kölner Vorort nicht, auch keine Metzgerei mit duftenden Fleischwurstringen. Wir wohnten in einer kleinen ölbeheizten Etagenwohnung. Aufgeräumt und liebevoll eingerichtet fühlten wir uns darin bald zu Hause. Ich fand einige Freundinnen im Dorf und interessante Klassenkameradinnen in meiner Schule. Ab meinem 14. Lebensjahr konnte ich mir sogar mit Nachhilfe etwas Geld dazuverdienen. Meist investierte ich mein extra-Taschengeld in eine neue Levis-Jeans, die ich dann meiner Freundin stolz bei unseren Besuchen im Eifeldorf präsentierte. Mittlerweile war die Besitzerin der Metzgerei verstorben und ich vergaß den Geschmack meiner geliebten Fleischwurst, achtete lieber auf meine Figur. Immer öfter blieb ich allein in Köln, wenn meine Eltern ihr geliebtes Eifeldorf besuchten. Viele Jahre waren vergangen, als meine Cousine aus Saarbrücken mich vor einem Monat bat, bei meinem Besuch ein Bild von meinem Heimatdorf mitzubringen. Eigentlich wollte ich ja durchfahren, dann machte ich doch an diesem schönen, frühlingswarmen Sonntag mitten im Februar halt in Erdorf. Eine junge Familie stand auf der Kyllbrücke, blickte in den Flusslauf, sonst sah ich niemanden auf der Straße. Ich fuhr zum Friedhof, zündete eine Kerze am Grab meiner Mutter an und fuhr im Reinen mit mir und beschienen von der warmen Eifelsonne, weiter Richtung Saarbrücken.

© Eva-Maria Fontaine 2025-03-14

Genres
Romane & Erzählungen
Stimmung
Emotional