Heimat 4.0

“Fühl dich wie zu Hause!” sagt die Thai-Shiatsu Praktikerin ernsthaft zu mir, als sie mich auf die Matte bei mir selbst daheim am Terracotta Boden eines Raumes einer ehemaligen Ziegelfabrik einlädt. Mit viel Liebe wurde dieses Areal vor über 30 Jahren von einem künstlerischen Ehepaar gekauft und zu einem Schmuckstück ganz nahe der Klagenfurter Altstadt umgebaut. Hier siedelten sich dann sehr interessante Menschen an, von Künstler über Selbständige. Über mir zog unlängst sogar ein, aktuell wegen der fraglichen Umstände geschlossenes, Yogastudio ein. Andere Geschichte.

Jedenfalls schufen die zwei Pioniere aus alter Materie wirklich ästhetisches Bauwerk und auch das Drumherum, der Garten und ihr eigenes Reich voller Gemüse und Obstbäumen bietet was fürs Auge. Die herzliche Art spürt jeder hier in Substanz und Energie des Hauses. Über all dem ragt ein riesiger Kastanienbaum in den Himmel, worauf für die Kinder (und manchmal die Erwachsenen) eine Schaukel hängt, die ganz schön viel Höhe zulässt.

Als ich 2017 auf der Durchreise war, damals noch in Tirol wohnend, war schon vorab klar, dass ich nach über 18 Jahren wieder nach Klagenfurt ziehen werde. So lange brauchte ich, um Frieden mit meinem Vorleben hier zu machen. Hauptsächlich fand in der Zwischenzeit allerdings Leben in all seinen Facetten statt. Ob es die Clubs in Wien waren, oder die Naturprojekte in Innsbruck und Umgebung, über allem steht sicher die erfüllende Vaterschaft im Zuge der Familiengründung.

Und dann stand ich auf eine Annonce hin plötzlich in dem Raum, worin ich gerade diese Geschichte neben gestreamten, akustischen Gitarrenklängen tippe und wusste in diesem Moment, dass dieser Platz meiner sein wird. Ich mietete, ohne zu wissen, wann ich hier ankommen werde und noch alles ziemlich in den Sternen stand. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich auch keine Ahnung, was ich damit machen werde und schon gar nicht die Idee hier vorübergehend zu wohnen.

Denn der ursprüngliche Plan war, mit Frau und Tochter in meiner Heimatstadt neu Fuß zu fassen und zu leben. Dazu fanden wir eine andere Wohnung, Lage perfekt, am Fuße des Stadtwaldes hier. Meine Sehnsucht nach heiler, alter und neuer Heimat, nach gesunder, korrigierender Familienerfahrung wurde nicht belohnt. Leben eben.

Drei Monate später zog ich frisch getrennt in besagtes, leer hallendes Domizil, was bis dato Büro und Kreativraum war. Auf eine Matratze am Boden. Irgendwas in mir wusste das wohl schon einige Monate früher und baute vor.

Im letzten Jahr bekam ich zweimal Verkehrsstrafen mit jeweils 45km/h Übertritt auf Autobahn und Schnellstraße. 50 drüber und der Schein ist weg. Ein guter Hinweis, die Geschwindigkeit im Leben immer wieder zu drosseln. Flow ist nicht Speed. Im Flow wird weise der inneren Stimme gelauscht, welche stets ehrlich auf Fragen antwortet. Also wohne ich jetzt hier, höre auf mein Herz, schreibe, musiziere, male, liebe und komme im Moment an. Kann ja nicht so schwierig sein das Ganze.