Heimflug von Jakutsk

Michael Schober

von Michael Schober

Story

Juni 1990

Nun waren wir endlich da, in Jakutsk, der 6000km östlich von Moskau gelegenen Hauptstadt der sibirischen Region Jakutien. Nach 2 Reisetagen inkl. 8 stündiger Flugverspätung in Moskau stand ich mit unserm Monteur Franz auf der Baustelle, bei strahlendem Sonnenschein um 22 Uhr und 35° im Schatten. Die nächsten Tage entluden wir die Frachtcontainer, die 6000km auf der transsibirischen Eisenbahn und 2000km auf dem Fluß Lena unterwegs gewesen waren. Dann konnte der Fenstereinbau beim medizinischen Zentrum Jakutsk beginnen. Diese speziellen Kastenstockfenster, waren für Temperaturen von +40° im Sommer bis -60° im Winter konzipiert.

Nach ein paar anstrengenden Tagen, an denen auf diesem Breitengrad die Sonne nie untergeht trat ich meine Heimreise an.

Um 12 Uhr, nach 2 stündiger Wartezeit am kleinen Flughafen Jakutsk (der damals aus Holzgebäuden bestand und an die Zeit Jack Londons in Alaska erinnerte) erfuhr ich, dass dieser wegen des heutigen Parteitages der kommunistischen Partei nicht statt finden sollte. Die nächsten Stunden verbrachte ich mit warten im Baustellencamp.

Ich beschloß darauf zu vertrauen dass sich schon alles irgendwie regeln würde, wie ich es meist tat, in solchen Situationen. Um 20 Uhr ging es wirklich los. Der Flug startete tatsächlich und ich war unterwegs nach Moskau – ohne zu wissen wie es von dort weitergehen sollte, da ja mein Anschlussflug nach Wien längst weg war. Ich wollte jede Fluggelegenheit nach West-Europa nehmen die sich anbot.

Wie es ein gütiges Schicksal wollte saß neben mir ein ebf. auf der Baustelle tätiger Ungar der auf Grund eines Wodkagelages seinen Flug verpaßt hatte und der Deutsch sprach. Er bot sich an mir zu helfen. Das war mein Glück, denn bis auf das ungarische Flugbüro am Moskauer International Airport war alles geschlossen.

Mein Kollege organisierte tatsächlich ein Ticket für den nächsten Flug nach Budapest für mich, wofür ich ihm heute noch dankbar bin. Ich stellte mich dafür 1 Stunde am Aeroflotschalter an, wo um die Tickets gerauft wurde. Er paßte indessen auf unser Gepäck auf.

Kurz nach Mitternacht landeten wir in Budapest, wo, wie ich es erhofft hatte, noch ein Taxi wartete. Ich wurde mit dem Taxler über die Fahrt nach Wien schnell einig, sagte ihm aber dass ich einigen Hunger hätte. Auf russischen Fliegern bekam man damals nichts zu essen…

So fuhren wir bei der Wohnung des Taxifahrers vorbei und er bereitete mir ein Wurstbrot und eine Flasche Bier als Wegzehrung, für die Weiterreise. Nach dieser Labung verschlief ich die Taxifahrt weitgehend und wurde erst an der österreichischen Grenze wieder wach. Er brachte mich zum Westbahnhof wo ich mich mit großzügigem Trinkgeld herzlich von ihm verabschiedete und um 5 Uhr mit der Bahn nach Wels fuhr.

Wie lange die Heimreise genau gedauert hat kann ich auf Grund der 8 Zeitzonen die zu überfliegen waren nicht mehr genau sagen. Aber ich war sehr, sehr müde.

© Michael Schober 2020-02-28