Heiße Trüffel in Stuttgart

Dr. Jonas Mertens, einer der führenden Vulkanologen Deutschlands, ließ sich mit einem zufriedenen Seufzen in das weiche Hotelbett sinken. Nach wochenlanger Feldforschung an Vulkanen und in Erdenbebengebieten war die Stuttgarter Innenstadt eine willkommene Abwechslung – kein glühender Lavastrom in Sicht, keine drohenden Aschewolken, nur Ruhe, Luxus und eine edle Schachtel Trüffel auf dem Nachttisch.

Die Pralinen waren ein Geschenk des Veranstalters der Konferenz für Geowissenschaften. „Für den berühmten Vulkan-Experten nur das Beste!“, stand auf dem Grußkärtchen. Jonas hatte es dankend angenommen, wer konnte schon Trüffeln widerstehen?

Genüsslich biss er in die erste Praline. Die dunkle Schokolade zerschmolz auf seiner Zunge, das Aroma von Kakao und feinem Likör erfüllte seinen Mund. „Köstlich“, dachte er, während er sich tiefer ins Kissen kuschelte. Gerade als er zur zweiten greifen wollte, bebte plötzlich das Bett. Erst kaum merklich, dann stärker. Das Wasserglas auf dem Nachttisch begann zu zittern, eine leere Flasche kippte um und rollte klirrend zu Boden. Jonas riss die Augen auf. Ein Erdbeben? In Stuttgart?!

Er sprang aus dem Bett und griff reflexartig nach seinem Seismometer, das er immer dabei hatte. Die Anzeige flackerte auf, was er sah, ließ sein Herz schneller schlagen. Die Werte waren hoch, viel zu hoch für eine Stadt ohne tektonische Aktivität!

Mit klopfendem Herzen rannte er ans Fenster. Die Stadt schien friedlich. Jonas rieb sich die Augen. „Nein. Das kann nicht sein. Stuttgart hat keinen Vulkan! Oder etwa doch?“ Und schon wieder wackelte alles. Sofort griff er zum Telefon und wählte den Hotelnotruf. „Hier spricht Dr. Mertens, ich bin Vulkanologe! Ich glaube, in Stuttgart bricht gerade ein Vulkan aus!“

Am anderen Ende herrschte für einen Moment Stille. Dann ein Kichern. „Netter Versuch, Kumpel. Haben Sie zu lange an der Bar gesessen?“ – Klick. Aufgelegt. Jonas stand fassungslos da. Der Boden vibrierte erneut. Etwas panisch verließ er das Zimmer, rannte auf den Hotelflur hinaus. „Die Erde bebt, wir müssen nach draußen“, sage Jonas zu einem Mann, der ihm im Bademantel mit Zahnbürste im Mund entgegenkam, wohl auf dem Rückweg aus der Sauna. „Alter, chill mal“, nuschelte er, „die buddeln da unten für Stuttgart 21. Wahrscheinlich haben sie wieder ’nen Tunnel zu viel und zu tief gegraben.“

Jonas hielt inne. „Ach so.“

Er ging zurück in sein Hotelzimmer. Noch einmal sah er zum Fenster hinaus und dann auf die Schachtel mit den Trüffeln. Vielleicht war es doch besser, sich nur um reale Vulkane zu kümmern. Seufzend ließ er sich wieder aufs Bett fallen, griff nach einer weiteren Trüffel und murmelte: „Stuttgart ist aufregender, als ich dachte.“