Helgoland (2) – Lore

Günther Stark

von Günther Stark

Story

(In der Geschichte ‚Helgoland (1) – Lore‘ lässt ein Mädchen am Strand Harry so viel sehen, wie ihn noch keine Frau hat sehen lassen, sodass er sie vom Fleck weg heiraten will.)

Ihre anderen Begleiterinnen sollen sich nur wundern, sie haben keinen blassen Schimmer davon, was zwischen ihnen passiert ist. Ein Tag wird genügen, sie vollends zu gewinnen, wenn sie wirklich so ist, wie sie die ganze Zeit über war, und er, der Frauenkenner, kann sich nicht irren. Danach wird er keine Zeit mehr verlieren und ihr noch auf der Insel einen Heiratsantrag machen.

Und dann würde er sie gleich heiraten, noch auf der Insel würde er sie heiraten! Und dann, wenn sie ja gesagt hat – und sie würde es –, würde er erst richtig mit ihr schlafen, noch auf der Insel würde er mit ihr schlafen. Sie hat ihm alles Mark aus den Knochen gesogen, aber sobald die Zisterne wieder gefüllt ist, wird er sich ganz in sie erschütten. Nur noch etwas das Hemd arrangieren. Ob was in die Hose durchging? Aber es ist sowieso schon zu dunkel, als dass man es sehen könnte, und außerdem schauen sie alle noch immer auf das Feuerwerk oben am Himmel.

Da hat sie eine Idee, eine kleine Liebeslist. Sie lässt ihre Hand in die Taschentuchtasche gleiten und nimmt die Watte heraus und winkt als Antwort, ohne ihn natürlich aus den Augen zu lassen, und steckt sie dann wieder ein. Ob er wohl zu weit ist, um … Sie steht auf. Ist es Abschied? Nein. Sie muss gehen, aber sie würden sich wieder treffen, hier, und bis dahin würde sie von allem träumen, morgen, von ihrem Traum von gestern Abend. Sie richtet sich auf zu ihrer vollen Höhe. Ihre Seelen treffen sich in einem letzten zögernden Blick, und die so seltsam glänzenden Augen, die ihr Herz treffen, hängen gebannt an ihrem süßen, blumengleichen Gesicht. Sie lächelt ihm bleich zu, ein süßes, verzeihendes Lächeln, ein Lächeln, das dem Weinen nahe ist, dann trennen sie sich …

Das aber war wie eine Aufforderung. Jetzt ist der Zeitpunkt da, jetzt muss er ihr nach, er erhebt sich. Langsam, ohne sich umzusehen, geht sie den unebenen Strand hinunter zu den andern. Es ist jetzt dunkler, und Steine und Holzstücke bedecken den Strand und glitschiger Tang. Sie geht mit einer gewissen ruhigen Würde, die ihr eigen, aber vorsichtig und sehr langsam, weil sie … Enge Schuhe! Nein. Sie hinkt! O!

Harry erstarrt in seiner Bewegung und sieht ihr zu, wie sie forthinkt. Armes Mädchen! Deshalb blieb sie liegen, als die anderen fortliefen. Soll er ihr trotzdem nach? Sein Vorsatz? Aber etwas hemmt ihn. Dachte er sich’s doch gleich, dass etwas nicht stimmte. Sitzengebliebene Schönheit. Bei einer Frau ist ein Defekt zehnmal schlimmer. Macht sie aber höflich. Froh, dass er das nicht wusste, als sie alles zeigte. Aber doch ein heißblütiger, kleiner Teufel. Weil sie es selbst nötig haben. Ihre natürliche Begierde. Scharenweise strömen sie jeden Abend aus den Büros. Schade, dass sie sich nicht sehen können. Kommt von der lingerie. Betasten die reifen Formen in ihrem déshabillé. Regt sie auch auf, wenn sie.

© Günther Stark 2021-02-26

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