Herbergssuche im Frühling

Lorenz Graf

von Lorenz Graf

Story

Im Mai ist die Weihnachtszeit schon lang vorbei. Dennoch erinnere ich mich an die Geschichte von Josef und Maria, die für sich ein Quartier suchten. Sie waren heilig, jung und Maria war schwanger.

Wir, meine Frau und ich, sind nicht heilig (noch nicht), erst über 70 Jahre alt (was ist das gegen Methusalem), und erwarten kein Kind. Eigentlich gehört es sich in diesem Alter, dass man in ein Altersheim geht und dort die lieben Pflegerinnen und Pfleger stresst und auf Trab hält. Nicht so wir!

Wir suchen wieder eine neue Bleibe, diesmal kleiner als unser Haus jetzt ist. Und es soll in der Stadt sein. Die Wege am Land zu Arzt und Apotheke sind lang und besonders im Winter beschwerlich. Man braucht ein Auto, da man mit den öffentlichen Verkehrsmitteln keine Chance hat, seine Besorgungen erledigen zu können. In der Stadt fährt laufend ein Bus. Am Land einer zeitig in der Früh und dann am Abend einer zurück, wenn man Glück hat. Da braucht man für einen Arztbesuch schon eine Übernachtung in einem Hotel. In der Corona-Zeit geht nicht einmal das.

Wir waren schon sehr oft auf “Herbergssuche” und hatten immer Glück. Als damals in Wien die Zimmervermieterin starb, wollten die Hausbesitzer nicht mehr weitervermieten und da hat uns eine Freundin von meiner Frau aufgenommen. So hatten wir Zeit ein neues „Nest“ für uns zwei Verliebte zu finden. Und wir haben eines gefunden.

Nach 7 Jahren hatten wir genug von Wien und zogen nach Oberösterreich. Dort hatte der Direktor für uns schon drei Wohnungen reserviert. Wir konnten wählen und es hat gepasst. Es hat uns dort gut gefallen, bis wir eine neue Bleibe auf fast 1000 Meter Seehöhe bezogen, als Wirte einer Alpenvereinsschutzhütte.

Nach mehreren Jahren haben wir dann ein Haus gebaut. Ein Haus, das für die damalige Zeit in den 1980er Jahren fast utopisch revolutionär war. Es hatte, bedingt durch die viel diskutierte Energiekrise, einen großen Wintergarten und schon Solarenergie. Jetzt waren wir überzeugt, dass unsere “Herbergssuche“ ein Ende hat. Doch wie heißt es so schön: Sag niemals nie.

Und schon sahen wir uns mit einer neuen Suche konfrontiert. Der Grund war ein erfreulicher, besonders für meine Frau. Einer unserer Söhne hatte ein Mädchen aus dem Pongau geheiratet und sie bekamen Kinder. Meine Gattin wollte ihre Enkelkinder nicht nur einigemale im Jahr treffen, sondern ganz in ihrer Nähe sein und sie aufwachsen sehen. So begaben wir uns als altes Ehepaar wieder auf Herbergssuche und fanden ein Haus, zwar noch im Rohbau, aber passend für uns. Dort sind wir schon viele Jahre glücklich und wir waren endgültig überzeugt, dass es unsere letzte Station sein wird.

Und jetzt bin ich wieder am Anfang meiner Erzählung. Wir sind wieder Pilger auf der Suche nach einem Quartier. Die Tochter lebt ja jetzt in der Stadt Salzburg und hat zwei ganz besonders liebe Kinder. Die Oma schmilzt dahin und die Enkelkinder mit ihr.

Die Makler: “Wer klopfet an?” Antwort: “Wir, zwei alte Leut`.”

© Lorenz Graf 2021-04-28