von Erich Stöger
Heute Morgen konnte ich beobachten, wie sich der Hochnebel nicht hob, sondern immer tiefer in die Stadt einfiel. Grund für mich, meine heutige Wanderung vorzuverlegen. Bereits vom Kreuzberg aus war die Stadt nicht mehr zu sehen. Nichts, absolut nichts ließ erkennen, dass zu meinen Füßen Krems lag. Der Blick Richtung Göttweig zeigte Nichts! Der Blick Richtung Stein und Wachau zeigte Nichts! Und ich stand in der Sonne! Beim Aufstieg zur Schwarzalm begann ich zu schwitzen und kam aus dem Staunen nicht heraus, was mir die Natur, wahrscheinlich nur für eine relativ kurze Zeit bot.
Aber nun zum Wald. Meine Wanderroute beinhaltet auch das eine oder andere Waldstück. Mischwald muss ich richtigstellen. Natürlich bin ich schon oft und zu allen Jahreszeiten durch Wälder gewandert, aber heute war es, ohne zu wissen warum, etwas Besonderes. Ich fragte mich von einem Moment auf den andern, warum sieht man den Wald im Sommer oft nur als angenehmen Schattenspender beim Spazierengehen, während einem außerhalb von ihm die Sommerhitze unerträglich ist? Warum besucht oder betritt man ihn mit der Hoffnung, dass er uns mit schönen frischen Pilzen überrascht? Vielleicht war es heute ein besonderer Zufall, dass die tief stehende Sonne sich ihren Weg zwischen den Baumstämmen zu mir suchte. Vielleicht wollte sie mir einfach nur sagen verweile und genieße den Moment, den ich dir momentan ermögliche, in dir schenke! Und ja, ich tat es. Ich griff auch zur Kamera und machte Aufnahmen, der Momente die sich mir gerade darboten. Es war herrlich. Ich traf auch wieder auf „meine eingeengte Eiche!“ Leider sprach sie nicht zu mir und so verabschiedete ich mich im Stillen von ihr und ging weiter. Der leichte Wind, der sich, so wie die Sonne, seinen Weg zwischen den Bäumen hindurch suchte, ließ mich ein wenig frösteln. Beide, die Sonne und der Wind ließen mich den Herbst fühlen. Und zwar in einer sehr angenehmen Form. Und natürlich trug der Wald seinen Teil dazu bei. Und weil es Mutter Natur heute anscheinend besonders gut mit mir meinte, traf ich auch noch auf Lesegruppen. Die einen, bereits bei der wohlverdienten Jause, sie haben anscheinend sehr früh mit der Lese begonnen, prosteten mir mit ihren Gläsern zu und gegenseitig wünschten wir uns einen schönen Tag. Etwas weiter war wieder einmal eine Lesemaschine im Einsatz, was natürlich nicht so idyllisch in mein momentanes „Naturfeeling“ passte. Aber was solls, wahrscheinlich werden dies die letzten Lesearbeiten entlang meines Wanderweges für heuer gewesen sein.
Auf meiner Gartenhausterrasse hatte es siebzehn Grad! Ich musste einfach verweilen und den Augenblich in mich aufnehmen. Als ich meine wenigen noch nicht verblühten Pflanzen betrachtete, kam mir der Spruch in den Sinn:
„Wenn auch die Worte geschrieben sind: ‚Nicht pflückt die Blüten! Sind lebend Wesen!‘ Die Zeichen vermögen nichts wider den Wind, denn der Wind kann nicht lesen.“
Richard Mason: Denn der Wind kann nicht lesen (1946)
© Erich Stöger 2023-10-11