von Othmar Hill
Auf der Suche nach Destinationen für ein Wanderseminar traf ich auf Hermann Nitsch im Oswald und Kalb. Ich sprach ihn an, ob wir als Seminargruppe der Volkshochschule ihn in Prinzendorf besuchen dürften? Er erkundigte sich, worum es bei einem Wanderseminar ginge, legte sich aber nicht fest. Einige Zeit später traf ich wieder auf ihn Plachutta in der Wollzeile. Wieder bat ich um eine “Audienz” im Schloss. Er sagte zu und ich gab ihm meine Visitenkarte, damals noch unter dem Firmennamen “TESTPSYCHOLOGISCHES INSTITUT”. Seine damalige Frau Christine König schaute darauf und meinte: Die darfst du nicht einladen, weil die wollen dich ja nur testen! Er wurde misstrauisch und stellte die Einladung unter die Bedingung: Sie garantieren mir, dass ihre Seminarist*en keine blöden Fragen stellen! Ich konnte das nicht akzeptieren mit dem Hinweis: Ich bin ja nicht verantwortlich für meine Teilnehmer/innen. Dann setzte ich mich an einen anderen Tisch. Er verließ später das Lokal und blieb bei mir mit dem Vorwurf stehen: Sie haben sich ja nicht einmal verabschiedet! Darauf ich: weil ich sauer bin! Jetzt laufe ich ihnen durch die Stadt nach und dann stellen sie unerfüllbare Bedingungen. – Na gut, dann kommen sie mit ihrer Gruppe vorbei.
Ich berichtete meinen Leuten über seine Einladung. Dann erwähnte ich noch, dass er Sorge habe, wir wollten ihn psychologisch testen. Worauf einige in der Gruppe meinten, dies sei eine gute Idee. Wir rätselten, welches Problem er denn haben könnte und kamen zu dem Schluss, dass er es als gewichtiger Herr schwer haben könnte mit Frauen. Einer aus der Runde warf ein, dass er dafür ein hervorragendes Gastgeschenk hätte: Ein primitiv-sexistisches Buch betitelt “Wie verführe ich eine Frau?” Das Cover zeigte den Torso einer Frau ohne Kopf und Füßen mit kurzem Rock, bei der eine Männerhand ihr zwischen die Beine fuhr. So was von widerlich!
An einem Wochenende wanderten wir dann nach Prinzendorf. Der Meister war nicht da. Auf meinen Anruf hin, gab er an, den Besuch vergessen zu haben, aber er käme morgen. Tags darauf empfing er uns freundlich, zeigte uns das Anwesen, bewirtete uns mit Blut- und Leberwürsten sowie Wein aus Prinzendorf. Er erzählte uns aus der Frühzeit der Aktionisten und über das Drama mit Schwarzkogler. Das alles war interessant, amüsant und sympathisch. Zum Abschied im Schlosshof meinte ich, dass wir ja ein Gastgeschenk mitgebracht hätten. Meine Leute raunten mir zu, dass ich das Buch nun doch nicht herschenken könne. Ich sagte Herrn Nitsch, dass die Gruppe mich hindere, ihm ein Mitbringsel zu geben. Er meinte: Na, ich kann es ja auch ablehnen, oder? Gut, ich reichte es ihm. Er war sprachlos und seine Freundin bemerkte voller Unmut: Frechheit, frauenfeindlich, sexistisch. Neben unserer Gruppe stand eine Eselin mit ihrem Jungen und Hermann hielt so aus dem Handgelenk das Buch dem Esel und der fraß es Blatt für Blatt! Ich bemerkte: Ein literarischer Esel, oder? Darauf Nitsch: Ja, er mag schlechte Bücher!
© Othmar Hill 2021-02-23