Herrn Heine zur Ehre

LinaLilaWolken

von LinaLilaWolken

Story

Wer einen ruhigen, wenig besuchten und besonderen Ort im Schatten der Bäume, durch deren Blätterdach die Sonnenstrahlen tanzen, sucht, ist auf dem Friedhof von Montmartre genau richtig. Über der Erde, versteht mich nicht falsch.

Als wir einige der bekanntesten Sehenswürdigkeiten in Montmartre hinter uns gelassen hatten und durch die weniger stark besuchten Straßen spazierten, weckte ein Wegweiser meine Aufmerksamkeit. Der Friedhof von Montmartre. Und ich erinnerte mich daran, wen wir dort besuchen könnten. Den Dichter Heinrich Heine höchstpersönlich! Da wir uns sehr sicher waren, dass auch der Friedhof nicht stark besucht sein würde, machten wir uns auf den Weg zu diesem besonderen Ziel. In meinem ganzen Leben hatte ich noch nie einen Friedhof betreten, um jemand anderen als ein Familienmitglied zu besuchen. Ich war allerdings auch gespannt darauf, ob die Ruhestätten in Frankreich anders waren, als in Deutschland.

Und das waren sie in der Tat! Anstatt Erde und Blumen gab es Steinplatten und Denkmäler. Manche Gräber waren schlicht, andere hingegen waren auffällig und prunkvoll. Man hatte die Verstorbenen in Mausoleen und Kapellen beerdigt, manche so groß wie ein Wohnwagen oder eine Telefonzelle (ja, ich weiß noch, was das ist). Sogar ein großer Obelisk wurde für eine verstorbene Gräfin errichtet. Ehrfürchtig spazierten wir Hand in Hand an den Gräbern vorbei. Einige waren mehr als 300 Jahre alt! Wir versuchten die mit Moos bewachsenen Schriftzeichen zu entziffern und fantasierten über das Leben damals. Der Friedhof lag ruhig vor uns, nur ein-, zweimal grüßten wir Angehörige mit einem leisen Bonjour. Obwohl die Großstadt um uns herum tobte, war es hier wirklich still. Es war weder gruselig noch bedrückend. Es war interessant und erdete uns auf spezielle Art und Weise. Wir fühlten uns nicht wie Eindringlinge, sondern zollten dem Leben und dem Tod Respekt.

Schließlich gelangten wir zu dem Grab von Heine, ein hoher Grabstein, in Form einer Säule, aus weißem Stein. Blumen waren niedergelegt worden. Der in Düsseldorf geborene Dichter, schien regelmäßig besucht zu werden und irgendwie freute mich das. Für einen Moment blieben wir still vor seinem Grab stehen und bewunderten die Details und den Schriftzug. Anschließend spazierten wir wieder zurück zum Ausgang und wurden sofort in den lauten Trubel geworfen, denn eine Straße weiter befand sich die Moulin Rouge, die berühmte rote Mühle des dazugehörigen Varietétheaters. Aber das war irgendwie typisch für Paris: Leben und Tod, Stille und Lärm, Vergangenheit und Gegenwart- sie lagen hier manchmal nur eine Straßenecke voneinander entfernt.

© LinaLilaWolken 2022-08-02

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