Herzförmig

Story

Als ich in München lebte und “beim Film war”, ging ich mit unserem Werbechef, einem jungen DDR-Flüchtling, manchmal in seine Schwabinger Stammkneipe. Es war das zweite Wohnzimmer für viele aus der Branche. Für manche auch das erste. Das lag hauptsächlich an der Besitzerin, die auch ihre eigene Bardame war.

Nach jeder Premiere war die Bude bei der Toni Netzle voll. Alle gingen zu Toni. Viele kannten sie nicht nur aus der Bar, sondern auch aus Film und Fernsehen. Es gab kaum einen Tatort, in dem sie nicht durchs Bild huschte. Für Starruhm war sie allerdings zu wenig hübsch und vielleicht auch zu wenig begabt. Oder zu wenig “anschmiegsam”? Wer weiß das schon.

Eines Abends saß ich da so mit Ecki an der Bar. Er plauderte mit Toni und sie fragte ihn wohl, wer ich wäre. Im Bargemurmel hörte ich sie sagen: Sie sieht ein bisschen aus wie Christine Kaufmann. Die håt a so a herzförmigs Gsichtl.

Oh my Gawd! Wer wollte damals nicht aussehen wie Rosenresli? Und mit Tony Curtis verheiratet sein? Ich wusste noch nicht, dass er so klein war. Sah nur seine unverschämt grünen Augen. Jedenfalls war ich geschmeichelt und vergaß wohl auch deswegen den Namen Toni Netzle nicht. Kürzlich wischte sie in einem alten Tatort den Boden. Da fiel mir das jetzt wieder ein.

Und auch, weil ich grad meine erste Covid-Infektion überstanden habe. Wenn ich jetzt in den Spiegel schau, fällt mir auf, dass mein Gesicht noch herzförmiger geworden ist. Mutti würde einfach sagen: Du schaust aus wia a gschpiebms Gerschtl. Und wennde åbnimmst, lei im Gsicht. Dås håste von mir. Den Hinweis, dass ich einfach noch mehr Rosenresli bin nach jeder Infektion, und sei sie nur grippal, würde sie, die wie Kaufmann auch schon verblichen ist, nicht verstehen. Sie kannte eher die Toni Netzle aus den Tatorten, die sie immer schauen musste, weil Papa’s rechte Hand an der Fernbedienung angewachsen war. Den Lebensabend verbrachten beide glücklich und zufrieden bei uns in Graz. Im eigenen Zimmer, mit eigenem Fernseher und eigener Fernbedienung.

Noch was zu Rosenresli. Sie hatte ja auch eine eigene Beauty Line. Die Produkte bestanden, laut eigenen Angaben, eigentlich mehr oder weniger aus Wasser. Sie schwörte auf Wasser! Nichts anderes kam infrage. Auch an ihr Gesicht, das im Alter – im Gegenteil zu meinem – eigenartigerweise an Herzförmigkeit verlor, ließ sie nur pures Wasser, und vielleicht einen Hauch von CD.

Auch eine andere Münchener “Zeitgenossin”, Iris Berben, schwört auf Wasser. Und Chende Choch. Das weiß ich aus ihrem Buch “Älter werde ich später”. Das hat mir einmal jemand geschenkt. Also was die am Tag so an Wasser konsumiert, innerlich und äußerlich, das ist schon klimaschädlich. Zwischen waschen und duschen besprüht sie Gesicht & Dekolleté 24/7 mit Wasser. Gaanz feine Tröpfchen. Und wenn sie dreht, muss sie zwischendurch auch Chende Choch. Jede freie Minute, bis es wieder “Action” heißt. Wegen der Blutgefäße. Die machen so alt. Aber jetzt hat auch sie die Hände heruntergenommen. Endlich!

© 2022-04-01

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