von Katharina Fuchs
Ich habe ihn geliebt als Jugendliche – Karl Valentin. Ich hatte zwei Bücher und eine Videokassette mit Sketchen von dem deutschen Komiker. Mich faszinierten seine Sprüche, sein Wortwitz und sein trockener, intelligenter Humor.
Über viele Jahre habe ich nun gar nicht mehr an ihn gedacht, nun ist er mir wieder in den Sinn gekommen. Einer seiner bekannteren Sager ist sicher der: „Heute besuche ich mich. Hoffentlich bin ich daheim“.
Ich habe mich kürzlich am Abend mit einer Freundin zu einer ausgedehnten Walking-Runde verabredet. Grundsätzlich gehe ich sehr gerne allein auf den Weg in die Natur und genieße diese Zeit als „Einkehrschwung mit mir selbst.“ Aber dieses Mal hatte sich gezeigt, dass sehr viel entsteht im gemeinsamen Gehen. Die Sportrunde wurde zu einer wahrhaftigen Begegnung und wir haben während diesen zwei Stunden über so viel Persönliches und Berührendes gesprochen.
Ich war danach richtiggehend geflasht. Warum gelang uns an diesem Abend so ein spannendes und tiefgreifendes Gespräch, das mich noch lange danach beschäftigt hat? Was braucht es, um mehr als Small Talk und Belanglosigkeiten auszutauschen?
Jetzt weiß ich es: Es braucht ein Sich-Öffnen. Eine Bereitschaft, die eigene Verletzlichkeit und Zerbrechlichkeit zu zeigen. Den Mut, über die eigenen Ängste zu sprechen.
Wege entstehen im Gehen. Wenn ich gehe, bewegen sich nicht nur mein Körper, sondern auch meine Gedanken und meine Gefühle. Es gibt viele mögliche Wege zu mir selbst. Einer davon ist über solche wahrhaftigen Begegnungen.
Ich bin nach wie vor eine große Verfechterin von exklusiver „Me-Time“. Zeit, in der es nur mich allein gibt und nichts und niemand Ansprüche an mich stellt. Doch darüber hinaus fordere ich mich von nun an öfters dazu auf, mutig zu sein, mich einer vertrauten Person zu öffnen und so ganz viel über mich selbst zu lernen. Denn die größte Entdeckung, die wir in unserem Leben machen können, ist uns selbst zu finden.
Wunderbar, was beim gemeinsamen Gehen entsteht, wenn ich mich auf „mehr“ einlasse. Und es lohnt sich, dieses „Einlassen“. Nicht, dass ich dann am Ende der Begegnung wie Karl Valentin sagen muss: „Mögen hätte ich schon wollen, aber dürfen habe ich mich nicht getraut.“
© Katharina Fuchs 2020-07-14