von Eva D
„Mir geht es heute sooo gut“, verkündet mein Mädel am Beginn von Woche 8 beim Telefonat mit ihrer Lehrerin, „weil ich heute endlich meine Oma wiedersehe!“. Am Nachmittag dann der ersehnte Anruf meiner Mutter. Sie sitzt im Bus und wir können uns auf den Weg zur Haltestelle machen.
In einem anderen Ambiente hätte man vermutet, diese Frau, die da gerade aussteigt, will einen Saloon ausrauben, aber unter dem gemusterten Dreieckstuch erscheint das Lächeln meiner Mutter. Keine Umarmung, kein Bussi – aber ein freudiges Wiedersehen.
Bereits nach zwei Metern schnappt sie die Hand ihrer Enkelin und wir spazieren nach langer Zeit gemeinsam durch den Park. Wir beschließen, dass das nächste Treffen zwischen den beiden zu lange Getrennten Indoor stattfinden wird.
Ich bin froh, dadurch am nächsten Samstag mein siebenstündiges Online-Uni-Seminar nicht mit der Siebenjährigen an meiner Seite verbringen zu müssen. (Falls ich den Termin nicht noch absage, weil ich mich abends eher virtuell in den Straßen von Ramallah befinde statt über den Unterlagen zur Biologischen Psychologie.) Nein, die Kleine wird in dieser Zeit von ihrer Oma verwöhnt werden, die sich schon beim Einsteigen in den Bus auf ein Wiedersehen freut.
Am Abend sehen wir fern und das Kind ist völlig verdutzt, weil da Menschen, die nicht zusammenwohnen, miteinander kuscheln. „Die wissen nichts von Corona“, stellt sie fest und mir ist zum Lachen und Weinen zugleich.
Das Lernen mit meinem jüngsten Nachwuchs wird mir in knapp zwei Wochen wieder abgenommen – teilweise. Bis dahin arbeiten wir am dritten „Lernpackerl“ von der Schule. Das zweite müssen wir morgen abgeben und ich bin ziemlich ratlos, weil ich das Buch von der kleinen Hexe nicht finden kann, das wir mit den erledigten Aufgaben in die Schule zurückbringen sollen.
Da rückt meine Leseunwillige mit der Sprache raus und gesteht, es versteckt zu haben, damit sie nicht weiterlesen muss. Aber nicht nur die Schulausgabe, nein, auch unsere eigene taucht im schmalen Spalt zwischen den Möbelstücken auf. Durchtrieben, dieses Kind!
Im neuen Material der Schule befinden sich ein Vordruck für ein Muttertagsbillet sowie ein Gedicht zum Reinschreiben und Auswendig lernen. Das lehnt sie gleich strikt ab! Sie will etwas Eigenes machen.
So habe ich jetzt eine Regenbogenmaschine auf meinem Nachtkastl stehen. In Gesellschaft mit einem bemalten Blumentopf und einer Karte, deren selbst verfassten Inhalt sie mir mit einem Plastikmikro in der Hand vorgetragen hat:
„Liebe Mama! Wir haben schon Soooo fiele sachen gemacht das hat sooooo fiel spas gemacht ich hoffe das wir öfters sowas machen ich habe dich sooooooooooooo ser lieb Bussi“
Klingt doch viel besser als so ein vorgegebenes Gedicht!
© Eva D 2020-05-10