Hier kommt die Liebe deines Lebens

Es war ein trauriger Tag in Almería. Sie schleichen sich ein, diese Tage, wann immer ich allein verreise. Sie sind das Produkt der Situation, in der die Reize um mich herum abklingen und ich, mit meinen dunklen Gedanken an der Hand, mir und der Welt beweisen will, dass alleine zu verreisen für mich genau das Richtige ist. All die Dinge, die ich im Alltag gerne hinten anstelle, verschiebe, verstecke – sie kommen dann hinter der Deckung hervor und umzingeln mich. Wollen beachtet werden. Es war Oktober. Ich war verliebt in ein Mädchen, das mich nicht wollte, schrieb an einem Buch, das ich vermutlich nie veröffentlichen würde und badete in meiner Melancholie. Schon okay, ich bin Dichter. Vermutlich brauche ich dann und wann diesen Schmerz. Ich spazierte durch die Altstadt vorbei an Restaurants, Menschengrüppchen und Palmen direkt auf den Platz vor der Kathedrale zu, auf dem die Kinder überlicherweise den ganzen Tag Fußball spielten. Doch heute waren dort statt fliegender Bälle viele schön gekleidete Personen, Blumenschmuck, ein roter Teppich. Es schien eine Hochzeit zu sein und gerade als ich mich weiter genähert hatte, hielt ein edles schwarzes Auto. Die Tür ging auf und ein kleiner Junge sprang heraus und rannte den roten Teppich zwischen den Menschen entlang, die Spalier standen. Er hielt ein Schild in der Hand, auf dem geschrieben stand:

„Aquí viene el amor de tu vida.“ Hier kommt die Liebe deines Lebens. Mir schossen die Tränen in die Augen. Trotzdem riss ich meine Kamera hoch und versuchte den Augenblick zu erwischen. Klick. Klick. Und auch in meinem Kopf machte es „Klick“. Mir wurde klar, warum mich dieser Satz so ins Mark getroffen hatte. Es war die einfache Wahrheit, die ich mir nicht bewusst machen wollte. Bei all den Dingen die ich gerne von mir selbst behaupte und dem Bild, das ich von mir haben will, bleibt eine Sache bestehen: Ich konnte es kaum erwarten, dass sie kommt, die Liebe meines Lebens. So gern hätte ich behauptet, über den Dingen zu stehen. All die Jahre, all die Frauen die ich traf, die ich liebte so gut ich konnte. Ich war bereit für meinen Paukenschlag. Eine ganze Weile lang beobachtete ich noch das Geschehen mit einem merkwürdigen Gefühl in meinem Bauch. Sah die Braut, die aus dem Auto stieg, in all ihrer Pracht des weißen Kleides, geschmückt mit dem Lächeln, das wir haben, wenn sich die Linien in unserem Universum kreuzen. Den Bräutigam, der mit seinem Trauzeugen am Eingang der Kathedrale stand und vor Aufregung von einem Bein aufs andere trat. Eine Zeitlupensequenz bis sie sich in die Arme schlossen. Der Oktober in Almería kann noch sehr sonnig und warm sein. Als ich heute durch die Straßen schlenderte war es ein trauriger Tag, doch nun weinte ich aus Freude. Ja, dachte ich und lächelte dem Bräutigam zu. Hier ist sie, die Liebe deines Lebens. Enhorabuena, Amigo.