*Triggerwarnung: Schwangerschaftsabbruch*
Ich frag’ mich manchmal wie es dir wohl damit geht.
Kommen dir manchmal auch aus dem nichts Bilder und Erinnerungen in den Sinn? Siehst du dich auch im Sommer von oben auf den Boden einer Komposttoilette blicken und unkontrolliert kleine, blutige Gewebeklumpen aus deinem Schritt auf die ungeraden Holzdielen fallen? Hat man dich auch immer wieder daran erinnern lassen, dass du etwas getan hast, das den meisten Menschen, Sprechstundenhilfe Gabi und deinem Vater missfällt? Denkst du auch häufig an die Szene zurück, in der man dir gesagt hat, dass du wohl zu dumm zum Verhüten bist, dass Mädchen wie du hier jeden Tag stehen und das der erste Satz von deinem Vater stammt?
Fragst du dich auch manchmal, ob nicht irgendwer die Gott-verdammte Tür der Arztpraxis hätte schließen können, als du es nicht mehr konntest und vor Scham und Schmerz gekrümmt auf einer Liege lagst? Doch um Gott muss ich wohl nun nicht bitten. Zumindest wenn ich all den warmherzigen Lebensretter:innen Glauben schenke, die sich mich direkt mit Expressticket und Dreizack in die Unterwelt wünschen. Jede Bitte scheint zu groß. Selbst der Wunsch nach einer Binde übersteigt die Fläche an Mitgefühl, die man mir zu spricht. Ich frage mich, ob es notwendig war mich die Meter zwischen Liege und Behandlungsstuhl auch physisch nackt gehen zu lassen (denn emotional konnte ich wohl auch kaum noch weniger tragen). Ob es wohl zum Repertoire verpfuschter Schwangerschaftsabbrüche gehört, die Blutung einmal frivol über den Praxisboden gleiten zu sehen.
Ich frage mich, ob dort nur für mich sehr deutlich lesbar, in rot geschrieben stand „wenn du deine Selbstbestimmung willst, dann hol sie gefälligst. Allein. Und wenn du geschlossene Türen haben willst, ja dann – dann steh doch auf und mach sie zu –allein“.- Hättest du das mal mit deinen Beinen getan müsste dich nun niemand aus diesem Schlamassel holen – obwohl das niemand in diesen Worten sagt, schwingt es in jeder Geste mit. Jeder Ausdruck trifft mich völlig nackt und ungeschützt. So ungeschützt wie dein Sperma es tat. Du schreckst auf? Ich tue es auch. Denn ich frage mich, ob ich so direkt überhaupt sein darf, so etwas überhaupt schreiben kann oder ob meine ungehaltene Zunge nun schon zu heftig an den unschuldig weißen Seiten des § 219a leckt? Ich befürchte, die harte Wahrheit gehört hinter geschlossene Türen. Oder halb offene Arztpraxen? Meine Zunge gefühlt gespalten wie die zahlreichen Meinungen zu meinem Abbruch. Auf meiner Haut die rot und schwarzen Ringe. Aufgemalt. Die nur so dazu einladen den ersten Pfeil zu werfen. Oder meine ich Stein? Jeder von euch konnte direkt in mein Glashaus sehen. Mein Körper der Stellplatz. Denn ich musste es euch zeigen, musste jeden kleinen Winkel davon offenbaren um keine Mutter sein zu müssen.
Und jetzt wo alles vorbei ist? Da fragt ihr nicht mehr was ich mit mir mache – Hinter verschlossenen Türen.
© ProblemeimSpeckmantel 2023-01-19