Hochzeitsreise ohne Trauschein

Ulrike Puckmayr-Pfeifer

von Ulrike Puckmayr-Pfeifer

Story

Mit 20 war ich auf der Suche nach einem passenden Lebenspartner. Eigentlich suchte ich nicht. Ich wollte gefunden werden. Es gab Verehrer. Einer wurde mein Freund. Kennenlernte ich ihn auf einer Party in meinem Studentinnenheim. Während eines Tanzes sagte er mir, ich müsse seine Freundin werden. Eine Aufforderung, eine bestimmte Aussage, keine Frage. Was hätte ich darauf antworten sollen? Meine einsame ausgehungerte Seele ließ sich hineinziehen in den Strudel von Aufmerksamkeit, Zuwendung und Zärtlichkeit. Endlich ein Mann, der nicht nur Sex mit mir wollte.

Stundenlang lagen wir eng aneinander gekuschelt im Bett, als wollten wir die fehlende Wärme und Liebe unserer von emotionaler Kälte geprägten Kindheiten nachholen. Natürlich gab es auch Sex. Aber nicht nur. Ich fühlte mich in meiner Ganzheit gesehen und gewollt.

Wir besuchten die Oper. Wir gingen auf den Universitätsball. Dann machte er mir den Vorschlag, gemeinsam an das Meer zu fliegen. Nach Sizilien. Mir gefiel diese Idee. Ich träumte vom Meer, von seiner heilenden Wirkung. Es sollte meine erste Flugreise werden. Einen Haken hatte das Ganze. Ich hatte Angst, diesen Mann meinen Eltern vorzustellen. Ich war mir sicher, meiner Mutter würde er nicht gefallen. Und so war es auch. Dieser mittellose alternativ aussehende Student mit langen Haaren und revolutionären Ideen im Kopf entsprach so gar nicht dem Wunschbild eines passenden Schwiegersohnes meiner Mutter.

Die Reise sollte im September stattfinden. In den Sommermonaten wollte er in Deutschland Geld verdienen und mich dann für die geplante Reise von zu Hause abholen. Es wurden die schlimmsten Monate meines Lebens. Meine Mutter versuchte, mich mit allen Mitteln von diesem Mann abzubringen. Es regnete heftige Schimpfkanonaden. Verletzende Worte fielen. Es war die Hölle auf Erden. Meine Mutter, mit der ich symbiotisch verbunden war, litt sicher genauso wie ich, da sie mich zu verlieren drohte. Ein schmerzlicher Ablösungsprozess nahm seinen Lauf.

Ich buchte die Reise ans Meer. Sizilien war ausgebucht. Ich entschied mich für Mallorca. Egal. Hauptsache weg. Auf dem Kalender strich ich die Tage ab bis zur Ankunft meines von mir auserwählten Retters. Die Reise bezahlte ich von meinem Ersparten. Ich löste das Sparbuch meiner Kindheit und Jugend auf. Es ging sich gerade aus.

Mein Freund kam einen Tag vor Abflug in das Haus meiner Eltern, um mich abzuholen. Es war ein milder sommerlich warmer Tag im September.

Mein Freund schlief im Gästezimmer, ich im Ehebett neben meiner Mutter.

Am nächsten Tag fuhren wir zum Flughafen. Es ging nach Palma de Mallorca. Es war für ihn und für mich die erste Flugreise unseres Lebens.

Wir erlebten zwei wunderschöne Wochen mit Sonne, Strand und Meer. Mit einem Leihauto erkundeten wir die Insel abseits der Touristenströme. Ich genoss das neue Lebensgefühl, einen Hauch von Freiheit, weit weg von meiner klammernden Mutter.

© Ulrike Puckmayr-Pfeifer 2020-12-07

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