von Monika Bayerl
„Wollen Sie sich setzen?“ Ich knülle meine Jacke zusammen und hebe den Rucksack auf meinen Schoß. „Nein danke, es geht schon.“ Die Frau ist noch aus der Puste, hält sich am Kinderwagen fest, während der Bus losfährt. Ein hilfsbereiter Herr hat beim Einsteigen geholfen, denn die Stufen im Postbus sind hoch.
Heute ist es sonnig und warm. Ich blinzle ins Licht. Die junge Frau klappt den Sonnenschutz nach vor, damit ihr Baby nicht geblendet wird. Der Kinderwagen steht quer zur Fahrtrichtung, ich erspähe einen Blick auf die winzige Hand und das gut eingepackte Köpfchen des Kindes. Seine blauen Augen blicken unglaublich wach und interessiert. Decke, Mützchen und Oberteil sind in Naturtönen, vermutlich ein Bub. Ich lächle ihn an, obwohl er meinen Mund hinter der Maske nicht sehen kann. Die Frau setzt sich neben mich und greift mit einer Hand zum Wagen. „Er schaut ganz genau“, sage ich und sie antwortet: „Ja, es geht besser als ich dachte.“ „Wie heißt er denn?“ „Jonas“, sagt sie, „fünf Monate ist er alt.“ Ich sehe, dass sie dieselben, freundlichen, blauen Augen hat und ihre Stimme klingt sehr sympathisch.
„Ich stelle mir vor, mit der Pandemie ist das alles nicht einfach.“ „Ohja“, sagt sie. „Ich hatte sogar Corona bei der Geburt, das war nicht lustig. Im Krankenhaus waren sie sehr verärgert.“ Ich schaue sie fragend an. „Eigentlich hatte ich mich woanders angemeldet, aber dort konnten sie mich nicht nehmen, als ich infiziert war. Und mein kleiner Kerl kam ein bisschen zu früh. Ich habe eh gehofft, dass wir es schaffen. Aber ich hatte einen Blasensprung, also musste ich rein. Da waren sie dann gar nicht begeistert.“
„Auch das noch! Hut ab!“ – „Ja, ich weiß, was du meinst.“ Bei uns am Land kommt man schnell zum freundschaftlichen du. Nachdenklich sagt sie: „Jetzt wo der Krieg ausgebrochen ist, hab ich mich auch gefragt: In welche Welt kommt mein Jonas da? Aber ich bin schon dreißig und es hilft ja nichts…“
Ich empfinde Respekt, Anerkennung und plötzliche Zuneigung. Einem kleinen Wesen ein neues Leben zu schenken, egal wohin sich die Welt gerade dreht. Sie zieht sich die Mütze vom Kopf und knöpft ihre Jacke auf. „Ganz schön warm!“ Dann schaut sie unter die Sonnenabdeckung.
Zwei blaue Augen schauen neugierig zurück. Jonas scheint die Busfahrt zu gefallen. Ihn fasziniert der Ausblick in den blauen Himmel. „Total entspannt ist er“, sage ich und spüre diese wundervolle Verbindung zwischen der Mutter und ihrem Kind. Sie würde alles für das Baby tun, umsorgt es und liebt es aus ganzem Herzen. Ich darf kurz daran teilhaben und einen Funken dieser Hoffnung spüren, die jedes neugeborene Kind verheißt.
© Monika Bayerl 2022-03-31