von Hannes Zeisler
Gewisse Tage im Jahr wurden in der Schule immer besonders gefeiert. Sei es der Nationalfeiertag, Muttertag oder auch christliche Feste, wie zum Beispiel der Nikolaustag. Da ging es dann immer ein bisschen lockerer zu.
Schon am Vortag zum hl.Nikolaus holte ich von unseren Birken einige Zweige, um daraus eine Rute zu flechten, mit der wir unsere Schüler ein wenig durch die Klassenzimmer trieben. Das war stets ein großes Hallo und ein riesen Spaß für sie.
Es war wieder einmal Nikolaustag und der Lärm in der Klasse ziemlich groß. An solchen Tagen tolerierte ich natürlich die Ausgelassenheit meiner Schüler.
Plötzlich klopfte es heftig an der Klassentür. Wegen des Lärmes hörten wir das Klopfen nicht gleich. Da wurde die Tür aufgerissen und wer stand davor? Landesschulinspektor Hofrat Erich M.!
Ich war sehr erstaunt, denn an so einem Tag hätte ich niemals mit diesem Besuch gerechnet! Ich bat ihn herein, drehte mich zu den Schülern um und sagte: „Liebe Kinder, das ist nicht der Krampus, sondern der Herr Landesschulinspektor!“
Na, mehr habe ich nicht gebraucht! Er beorderte mich sofort in die Kanzlei, um meinen Bruder anzurufen, der in Rappottenstein Hauptschuldirektor war. Zur Erläuterung muss ich anfügen: HR Erich M. war ein Studienkollege meines Bruders, und ich kannte ihn noch aus meiner Studienzeit in St.Pölten! Sonst hätte ich mir natürlich diese „Begrüßung“ nicht getraut!
Er wählte die Nummer der HS in Rappottenstein. Als sich mein Bruder meldete, meinte der Herr Inspektor: „Was sich dein Bruder erlaubt, ist ungeheuerlich! Er hat zu seinen Schülern gesagt, ich wäre nicht der Krampus, sondern der Herr Landesschulinspektor! Ich hätte mehr Respekt erwartet.“
Alles war nicht so ernst gemeint, und wir hatten noch ein sehr amikales Gespräch. Ich sagte schon: „Nicht böse sein, aber an so einem Tag inspiziert man keine Schule!“
Als ich Direktor der Volksschule in Zwettl war, trafen wir noch einmal zusammen. Mit von der Partie war auch der damalige Bezirksschulinspektor Ewald B..
Wir plauderten gemütlich im Lehrerzimmer. Eine Kollegin hatte Kaffee serviert und es gab auch einen Kuchen.
Was passierte? Ich stieß unabsichtlich an die Kaffeetasse und die Flüssigkeit ergoss sich über die Hose des Herrn Landesschulinspektors!
Der hohe Besuch nahm es relativ gelassen und meinte nur: „Ist das die Revanche, weil ich am Nikolaustag bei dir in der Schule war?“
© Hannes Zeisler 2020-08-23