von Michael Schaake
Mein 9 Jahre jüngerer Bruder Ulrich, geboren 1957 in Düsseldorf, ein gemeinsames Leben nur in den ersten zehn Jahren im Rahmen der Familie, dann zog ich fort ins Ausland. Vielleicht war ich in den ersten Jahren ein Vorbild für den kleinen “Ulli”, ich spielte schon früh Gitarre und sang, er machte das später auch. Ulrich war sehr bodenständig, blieb immer in seiner Heimatstadt, arbeitete in einer Galerie für lokale bildende Kunst, die Düsseldorfer Schule. Ich war ab 1967 in der Welt unterwegs, manchmal sahen wir uns ein paar Jahre nicht, dann besuchte ich ihn mal wieder in Düsseldorf, oder er mich in Norwegen, Spanien, der Schweiz, auf Kreuzfahrtschiffen, wo ich halt gerade lebte und arbeitete, es waren immer besondere Erlebnisse.
2008, ich wohnte inzwischen wieder in Deutschland, schenkte Ulrich mir zu meinem 60. Geburtstag eine CD, Kopie aus Musik-Kassetten, die er als Kind und Jugendlicher in den 60-er und 70-er Jahren von mir aufgenommen hatte, technisch upgedatet, eine perfekte und gelungene Überraschung. Wir beschlossen spontan, gemeinsam Musik zu machen.
In fünf Jahren nahmen wir vier CDs auf, nicht kommerziell, nur für uns selbst und für Freunde und Familie. Ich spielte Gitarre, Ukulele und sang, plante, was wir nächste Woche machen sollten, schickte ihm vorher die Liste der Musik mit Tonart und Text per Email, musikalisch gut vorbereitet. Ulrich wohnte nicht nebenan um die Ecke, ich musste zu den Aufnahmen immer anreisen, Tonstudio „home office” bei ihm zu Hause im Wohnzimmer. Er sang zweite Stimme, spielte Schlagzeug und Bass, und er machte die praktische Arbeit, die Technik, von der ich wenig verstand. Wir ergänzten uns prima.
Ich verbrachte diese Wochenenden bei ihm, manchmal “fetzten” wir uns auch, wir dachten einfach nicht gleich, nicht privat und nicht politisch, aber die Liebe zur Musik und die Freundschaft waren stärker. Die CDs ziehe ich mir immer noch gern rein, möglichst ohne Ablenkung per Kopfhörer, wenn mir danach ist so wie gestern, und dann habe ich das Bild vor mir, wann und wie wir sie aufgenommen haben, und was sonst noch an dem Tag los war.
Gestern vor sechs Jahren am 21. März 2016 starb Ulrich, schwer krank, er zog es vor, zu sterben statt sich einer OP mit ungewissem Ausgang und Folgen zu unterziehen. Für mich war das schwer vorstellbar, inzwischen verstehe ich ihn besser. Eine Woche vor seinem Tod, er war nicht dement, spielte ich in der Palliativ-Station für ihn Gitarre und sang, hat ihn offensichtlich sehr gefreut, soweit er das noch zeigen konnte, so hatte er wohl zum Lebensende eine gute Erinnerung an mich. Ich erinnere mich gleichzeitig traurig und froh über die Erlebnisse mit Dir, lieber Ulrich, unvergessen!
Foto von 2012.
Falls die Leser*innen Lust auf ein Lied haben: Auf YouTube unter mialmascha, Vorsicht, nicht professionell, aber ich hoffe, es gefällt Euch.
© Michael Schaake 2022-03-22