von Marianna Vogt
Hoppel war super happy. Er hatte gegenüber früheren Jahren heuer einige große Ostereier-Auslieferungsaufträge erhalten.
Da er immer super organisiert und äußerst exakt arbeitete und niemanden enttäuschen wollte, begann er bereits im Dezember mit den Vorbereitungen. Erstmals bekam er einen Auftrag von einer Bekleidungsfirma, die Mitarbeiter mit seinen liebevoll bemalten Ostereiern zu überraschen. Hoppel war sehr gespannt, wie diese ‚Fashionmacher*Innen‘ auf die Begegnung mit einem echten Osterhasen reagieren würden. Der Auftraggeber hatte ihm die Farb- und Mustervorgaben auf einem separaten Blatt mitgeschickt und ihn dringend angehalten die Eier exakt in den angegebenen Farbmuster anzumalen. Keine leichte Aufgabe, dachte Hoppel, aber er gab alles, um den Kunden nicht zu enttäuschen, denn der Auftrag zahlte sich aus.
Da Hoppel weder zwei Meter hoch springen noch Haken schlagen konnte und auch seine Höchstgeschwindigkeit von bis zu siebzig Km/h drosseln musste, damit die Eier nicht aus dem Weidenkorb fielen, entschied er sich für den Ernstfall zu üben und die Firma vorgängig aufzusuchen.
Hoppel programmierte sein Navigationsgerät und machte sich auf den Weg. Das GPS führte ihn schnell und sicher zum Zielort. Stolz stellte er sich vor die Eingangstür und wartete bis jemand kam und er ins Gebäude hupfen konnte.
„Simone, hast du den Kleinen dort gesehen?“, hörte er einen jungen Mann zu einer Kollegin sagen.
„Meinst du nicht, der hat sich im Datum geirrt. Wollen wir ihn fragen, ob wir ihm behilflich sein können?“, entgegnete die junge Frau und sah ihren Kollegen fragend an.
„Ach, lass gut sein, Simone, vielleicht ist irgendwo eine Kamera versteckt“, entgegnete der Mann und die beiden verschwanden eiligen Schrittes im Treppenhaus.
Selbstsicher schaute Hoppel um sich und stellte sich schließlich vor den Aufzug. Er guckte zum Anholer hinauf. Nein, ich kann den Knopf nicht selber drücken. Wenn ich jetzt hochspringe, fallen alle Eier aus dem Korb, dachte Meister Lampe.
Just in diesem Moment öffnete sich die Tür und Hoppel stieg ein. Sein Blick wanderte zur Anzeigetafel. Er musste in die oberste Etage, aber er konnte aufgrund seiner Größe nicht einmal den Knopf des ersten Stockwerks drücken. Während er überlegte wie er dieses Problem lösen könnte, schloss sich die Fahrstuhltür und die Kabine fuhr langsam nach oben. Abrupt blieben sie zwischen dem ersten und dem zweiten Stock stehen. Seltsamerweise geriet keiner der Fahrgäste in Panik. Plötzlich ertönte eine sympathische Frauenstimme: „Achtung! Es handelt sich um eine Übung für eine mögliche Krisensituation. Bitte verhalten Sie sich ruhig. Der Aufzug wird in wenigen Sekunden wieder fahrtüchtig sein und in jeder Etage kurz anhalten.“
Welch ein Glück, dachte Hoppel. Aber für den Ernstfall muss ich mir eine bessere Lösung ausdenken. Hoppel schmunzelte. Vielleicht werde ich die Eier im Erdgeschoss verstecken, so kann ich den Fahrstuhl elegant umgehen.
Titelbild: Gerhard Glück (*1944)
Wer nicht an den Osterhasen glaubt, sieht auch nicht dessen Probleme!
Erstveröffentlichung im „NZZ Folio“ 1998
© Marianna Vogt 2025-02-26