von G.F. Stöger
Gerade noch lag ich am Bauch gemütlich am Strand, auf meinem im Sand ausgebreiteten Handtuch, vertieft in mein Buch. Die Sonne am Rücken, den Strohhut am Kopf, riss mich ein gellender Schrei aus der Geschichte raus und ließ mich geradewegs stramm stehen. So schnell war ich noch nie auf den Beinen und ich glaube danach auch nicht wieder …
Was war passiert? Nun ja. Es war mehr meiner Fantasie geschuldet als einem Bedrohungsszenario, dennoch war es in dem Moment real und beängstigend.
Es begann mit unserem jährlichen 2wöchigen Urlaub mit meinen Großeltern in Lignano. In jenem Jahr erweiterte meine Cousine das übliche 4er Gespann (Oma, Opa, ich, kleiner Bruder). 14 Tage Sonne, Strand, Lesen und Jollyspielen ergänzt mit köstlichem vorgekochten Essen meiner Oma. Wir residierten in einer großzügigen “Eisenbahner”-Wohnung nur wenige Gehminuten vom Spiagga gelegen. Einen netten Balkon hatte das Appartement ebenso. Auf diesen wurden Gäste “verfrachtet”, die drinnen keinen Platz mehr fanden (wenn zum Beispiel meine Eltern auf Besuch kamen).
Der Strandabschnitt 18 mit der Bar Perla (mmmh Wassereis!) war unser Reich. Liegestühle mit Sonnenschutz waren gemietet worden und der Vormittag und späte Nachmittag wurde dort redlich verfaulenzt, lediglich unterbrochen von Abkühlungen in der Adria. Meine Cousine und ich waren so richtige Leseratten. Wir hatten ausgemacht, unseren ersten Stephen King Roman gemeinsam zu lesen. Ich möchte anfügen – sie ist 2 Jahre älter! Abwechselnd lasen wir kapitelweise. Die Nicht-Lesende wurde anschließend über das Versäumte genauestens informiert. Die Wahl war auf “ES” gefallen. Ein WIRKLICH dicker Schinken. Äußerst gruselig das Buch (den Film musste ich Jahre später tatsächlich nach 10 Minuten abschalten). Der Clown, die Kinder, Kanalrohre, Horror. Wir hatten beide lebhafte Fantasien, versetzten uns richtig rein (der Kult um “Horrorclowns”, welche unschuldige Passanten erschrecken, kam erst Jahrzehnte später auf).
Und so passierte der eingangs erzählte Horror, der mich aufschrecken ließ, da ich dachte ein “Horrorclown” hätte es auf mich abgesehen …
Es war der CocoBello-Mann, welchen ich bis dahin nicht bemerkt hatte, obwohl sein Geschrei üblicherweise von Weitem zu hören ist. Ich war so weit weg in der Welt von Stephen King, dass ich sein “Anschleichen” nicht wahr genommen hatte. Als er plötzlich direkt hinter mir seine Ware pries, glaubte ich, dass Pennywise himself hinter mir her sei. Glücklicherweise schaltete mein Hirn schneller als mein Herz, sodass ich gedanklich umgehend in die Gegenwart zurückkehrte, mein Puls jedoch noch eine ganze Weile lang “leicht” erhöht blieb.
Als ich vor drei Wochen die Verfilmung von Stephen Kings “Der dunkle Turm” als Abendprogramm wählte und im Film eine alte verlotterte “Pennywise” Geisterbahn am Weg des fliehenden Protagonisten vorbeizog, musste ich an diesen “Horror” von damals denken. Mittlerweile entlockt es mir lediglich ein Lächeln …
© G.F. Stöger 2021-02-18