Ich habe seine Frau getroffen. Auf dem Weg am Fluss, nach dem Regen ging sie ganz allein.
Es war schon Monate her, wenn nicht mehr als ein Jahr, seit wir diesen Weg miteinander gegangen sind. Im Lockdown hatte ich oft an sie und ihren Mann gedacht. Sie wohnen in der Nähe, und manchmal habe ich sie auf der Straße vorbeigehen sehen. Aber auch das war schon länger her. Wie geht es dir, fragte ich. Traurig schaute sie mich an. Ihr Mann sei schwer krank. Die Aussichten auf Heilung seien schlecht, eher hoffnungslos. Er sei zu Hause, würde ambulant behandelt.
Schade! Sie waren mir beide sehr lieb geworden, liebe Menschen, die auch meine Mutter noch gekannt hatten. Was konnte ich tun? Ich hatte noch ein Exemplar von Mutterhaus, dem Buch von story.one zu Hause. Einige Geschichten würden Ihnen vertraut sein. Ich packte es in hübsches Papier, legte eine Karte dazu mit ein paar lieben Worten und dem Satz „Vergesst die Freude nicht“. Das Buch und Blumen aus dem Garten hängte ich am nächsten Tag gut verpackt an ihr Gartentor. Am selben Tag noch rief sie mich an. Sie habe den kleinen Band schon gelesen, fände die Geschichten schön und tröstlich. Sie habe sich sehr gefreut, was ich schön fand.
Ein paar Tage später läutete das Festnetztelefon. Diese Nummer wählen nur wenige meiner Bekannten. Der Anrufer war der schwerkranke Mann. Seine Stimme klang fest und kräftig, so als würde es ihm gut gehen. Wir unterhielten uns einige Zeit. Über seine Krankheit sprachen wir nicht, aber über den Garten und die Geschichten, die er in meinem Buch gelesen hatte. Sie hätten ihm gut gefallen. Mehrmals bedankte er sich. Es war ein so freundlicher Austausch. Er hat mich sehr froh gemacht.
Weißt du, sagte er, ich habe auch zwischen den Zeilen gelesen. Man muss deine Geschichten auch zwischen den Zeilen lesen.
Mir fehlten die Worte. Etwas Schöneres, Liebevolleres hätte er mir nicht sagen können. Danke, lieber Freund.
How can you be so kind?
foto: am Fluss. fk.
© friederike kommer 2021-05-24