von Sarah Schreiter
âHĂŒbsches Autoâ, spricht eine mĂ€nnliche Stimme aus dem herunter gelassenen Fenster heraus. Soeben ist das genau gleiche Auto wie jenes Modell, in welches ich gerade einsteigen wollte, neben mir vorgefahren. Ein silberner Seat Leon. Im Dunkeln erkenne ich das Gesicht des Fahrers nicht, den Reflektorstreifen auf seinem Körper nach zu urteilen, trĂ€gt er jedoch die gleiche Uniform wie ich. Belustigt antworte ich mit âDanke, du auch!â, bevor sich unsere Wege wieder trennen.
Ich freue mich ĂŒber ein wenig Aufmerksamkeit, immerhin kenne ich meine Kollegen noch kaum. Heute war einer meiner ersten Arbeitstage auf der Rettungswache.
Als ich am nĂ€chsten Tag die Stimme aus dem Auto im Gemeinschaftsraum wiedertreffe, erkenne ich sie zuerst gar nicht wieder. Ich sehe nur einen jungen, hĂŒbschen Mann mit ausdrucksstarken, dunkelbraunen Augen, strubbeligen Haaren und einer unglaublich fesselnden Ausstrahlung. Erst, als dieser fragt, wem von uns Neuen denn der schöne silberne Seat gehört, weiĂ ich, wer mich gestern im Dunkeln am Dienststellenparkplatz angesprochen hat. HĂ€tte ich am Tag zuvor gewusst, wie attraktiv der Fahrer ist, wĂ€re ich wohl nicht so gechillt nach Hause gefahren!
Nach kurzem Anstarren meines gestrigen Zufallskontakts versuche ich, mich wieder zu besinnen. âIn Uniform schauen alle hĂŒbscher ausâ, sage ich mir, immerhin habe ich mir wirklich vorgenommen, nichts voreilig mit jemandem anzufangen. Schon gar nicht mit Kollegen! Ich bin stĂ€rker als meine Hormone!
Dank ausreichend Ablenkung im Dienstalltag habe ich meinen Blitzcrush schon fast wieder vergessen, wie plötzlich beschlossen wird, dass sein Garderobenplatz von nun an direkt neben meinem sein wird. Obwohl ich fest versuche, es zu vermeiden, bin ich ab jetzt jeden Tag mit dem sĂŒĂen PortrĂ€tfoto konfrontiert, welches seinen Spind markiert. Und ich weiĂ wirklich nicht, warum, aber je öfter ich mir das Bild von ihm anschaue, desto sympathischer wirkt er.
Als wir dann ein paar Wochen spĂ€ter unsere ersten Dienste miteinander fahren, kann ich nicht anders, als ihn total aufgeregt immer besser kennenlernen zu wollen. Ich muss wirken wie ein auĂer Kontrolle geratener Flummi, so ĂŒberdreht, wie ich mich zeige. Keine Spur von Einsicht, dass Flirts mit Kollegen ĂŒble Folgen haben könnten.
Der Wille, mir gut zu ĂŒberlegen, mit wem ich etwas anfange, ist zwar immer noch da, doch egal, wie viel ich ĂŒber ihn herausfinde, er erfĂŒllt einfach kein einziges No-Go-Kriterium, welches ich mir fĂŒr potenzielle Partner aufgestellt habe. Im Gegenteil, uns verbinden viel zu viele Gemeinsamkeiten! Doch wie denkt er? Flirtet er ĂŒberhaupt mit mir?
Mit einem geschickten Vorwand beginne ich, mit ihm zu chatten. Ich brauche es schwarz auf weiĂ, dass er was von mir wollen könnte. Aus dem Dienst- wird ein PrivatgesprĂ€ch. Aus Text werden Sprachnachrichten. SchlieĂlich antwortet er auf ein Bild mit meiner Katze und mir:
âSĂŒĂ.“
„Die Katze auch.â
© Sarah Schreiter 2021-10-17