In unserem Haus gab es eine Besonderheit, die nicht in jedem Haus vorkam. Hochzeitsbilder hingen bald einmal in einem Wohn– oder Schlafzimmer. Bei uns gab es aber zwei davon. Eins im Wohnzimmer und ein zweites im Schlafzimmer. Die Braut, meine Mutter war dieselbe, einmal ganz jung und einmal 10 Jahre älter. Der Bräutigam war jeweils unterschiedlich. Als Kind war mir bewusst, dass meine Mutter zwei Männer hatte, der erste Mann Hugo, Vater meiner Halbschwester war ganz jung gestorben. Das war traurig und so hatte sie später meinen Vater geheiratet. Das war für mich kein Problem. Einer war tot und einer war präsent. Aber das “Nachher ”beschäftigte mich. Ich glaubte fest an das Paradies. Wie konnte es aber für die zwei Männer paradiesische Zustände geben, wenn sie sich eine Frau teilen mussten? Und erst der Stress für meine Mutter? Sie könnte auf der Strecke bleiben. Das Thema beschäftigte mich sehr, ja ich überlegte und überlegte so lange, bis ich zu einer Lösung kam.
Heute würde man sagen, meine Mutter würde geklont werden und mit diesem Akt war alles zu lösen. Ich stellte mir vor, für jeden verstorbenen Menschen gab es eine eigene Welt, mit allem, was man benötigte, um zufrieden und glücklich zu sein. Mein Vater und Hugo brauchten für ihr Glück auf alle Fälle meine Mutter.
Im realen Leben hat es leider nicht so gut geklappt. Ich versuche nachzuvollziehen, warum das so war:
Was sollte Mama denn machen? Mit einem drei Monate alten Baby und einem völlig verschuldeten Haus sind die Möglichkeiten nicht sehr vielfältig. Das Haus vermietete sie zur Gänze, um die Kredite zurückzahlen zu können. Und sie ist zu Hause wieder eingezogen und als meine Schwester ein Jahr war, hat sie ihren Job wieder aufgenommen. Meine Großmutter übernahm mit Freuden das Kinderhüten, war doch gerade ihr einziger Sohn gefallen. Alles soweit gut hätte sich meine Mutter nach etlichen Jahren nicht wieder verliebt. Ihre Eltern hatten dafür kein Verständnis. Vor allem die Tatsache, dass der junge Mann Gendarm war, störte sie sehr. Nach einem Arzt war dieser soziale Abstieg viel zu groß. Meine Großeltern übten Druck aus, mein Großvater ließ meinen Vater holen und teilte ihm mit, er solle seine Tochter in Ruhe lassen. Mein Vater erwiderte: “Herr Direktor, ich wünsche ihnen, dass sie das Herz ihrer Tochter so teuer wie möglich verkaufen”.
Vielleicht hätten sie eine Chance gehabt, hätten sie den Schwiegersohn Franz kennengelernt. Aber vierzehn Tage vor Weihnachten starb mein Großvater völlig unerwartet und Großmutter zog bei meinen Eltern ein. Eine eigene Streitposition ergab sich auch dadurch, dass die Großmutter das Gefühl hatte, sie müsse ihre Enkelin vor meinem Vater schützen. Während alle Kinder aus zweiter Ehe das Haus verließen, blieb meine Halbschwester bis an ihr Lebensende zu Hause. Bis zum bitteren Ende wohnten alle Streitparteien unter einem Dach, bis einer nach dem anderen starb.
Hand aufs Herz, meine Zukunftsvariante wäre besser gewesen.
© Elisabeth Adensamer 2021-10-06