von Niklas
„Lisa, ich…“ Sie unterbrach mich. „Du willst nicht mit. Ich weiß. Aber ich möchte auch gerne mal etwas erleben. Ich würde gerne das Leben auf meine Art genießen. Es klingt jetzt hart, aber du musst auch alleine klarkommen. Von Anfang an, war ich die einzige, die mit dir geredet, dich nicht nur toleriert, sondern auch akzeptiert hat. Ich wurde selbst zur Außenseiterin, weil ich es nicht mit ansehen konnte, dass du ignoriert wirst und leidest. Ich mag dich wirklich, John. Aber du musst verstehen, dass ich auch mal frei sein möchte. Und momentan fühlt es sich einfach so an, als ob du die Kette wärst, die mich davon abhält. Ich habe gerne mit dir diskutiert. Doch du hast dich nie zu etwas getraut, dich nie mitreißen lassen das zu tun, was ich möchte. Ich werde jetzt da reingehen, ob du mitkommst oder nicht ist mir egal.“, sie wurde aufgebrachter und ihre Stimme überschlug sich beinahe. „Es wäre mir fast schon lieber, wenn du wegbleiben würdest. Ich habe dich mitfahren lassen, um dir einen Gefallen zu tun, doch scheinbar war das die falsche Entscheidung. Bis morgen früh.“ Sie ging, ohne ein weiteres Wort. Doch ich hatte verstanden. Mein Herz war, nach dem vermeintlich schönen Tag, trüb. Es war, als würde es aus mir herausgerissen werden. In Lisa hatte ich jemanden gefunden, der zum ersten Mal nett zu mir war. Ich musste ihr nachgehen. Vielleicht hatte sie recht, vielleicht sollte ich mich ändern, wenn keiner mich mag. Mein logischer Verstand sagte mir, dass das unklug war, dass ich sie in Ruhe lassen sollte, mich damit abfinden sollte, weil sie so etwas nicht zu mir hätte sagen dürfen. Doch ich stieg durch das Fenster hinein in den Club.
Es war stickig. Die kühle, feuchte Luft war hier drin nicht mehr wiederzuerkennen. Ich stand auf dem Klodeckel, balancierend, um nicht zu viel Aufmerksamkeit durch laute Geräusche zu erregen. Doch diese hätte vermutlich niemand gehört. Ich hörte das Plätschern von Wasser in der Nebenkabine, das laute Rauschen der Spülung etwas rechts von mir. Als ich aus der verschmutzten Kabine heraustrat, stachen mir zwei ineinander verschlungene Gestalten ins Auge. Doch ich ließ von dem Anblick ab, der sich mir bot, und trat heraus auf die Tanzfläche. Der Geruch von Erbrochenem, der mir auf der Toilette in die Nase gestiegen war, war verblasst. Ich hatte es erst gar nicht wahrgenommen. Die Musik dröhnte in meinen Ohren, viel zu Laut. Die Masse wippte im Klang der Musik. Es war eine Reizüberflutung. Im negativen Sinne. Es stank bestialisch nach Alkohol und Lisa würde ich sowieso niemals finden können. Es war eine schlechte Idee gewesen, hier einzusteigen. Und ich hatte nebenbei Hausfriedensbruch begangen. Das muss man sich mal überlegen. Verwunderlich, dass ich dazu imstande war. Ich hätte es nicht tun dürfen. Von hinten wurde ich von einem muskulösen Typen angerempelt. Es schien, als suche er Stress und auf den konnte ich verzichten. Ich wollte hier weg. Ich musste weinen, wusste nicht wieso, aber es tat gut. Und ich lief irgendwie hinaus ins Freie. Es war nicht das erste Mal, dass ich eine Panikattacke bekommen hatte, doch diese war die bisher Schlimmste. Es ging mir schlecht. Ich musste mich übergeben. Gleichzeitig kreisten meine Gedanken immer wieder darum, dass Lisa mich angeschrien hatte. Ich bin doch auch nur ein Mensch.
© Niklas 2023-07-18