Humor rettet dich

Lisa Farida

von Lisa Farida

Story

Ich stelle den Motor meines Wagens ab und atme noch einmal tief durch. Oben in der Küche meiner Eltern brennt noch Licht. Augen zu und durch.
Mit angespannten Muskeln schleiche ich die Treppe hinauf und öffne die Wohnungstür.
,,Hallo?“
Das ist die Stimme meiner Mutter, als sie die herunter gedrückte Türklinge hört.
,,Überraschung.“, sagte ich nur und kann das sanfte Lächeln, das sich automatisch auf meinen Lippen ausbreitet, nicht unterdrücken. Es ist wie ein Reflex, gegen den ich nichts tun kann. Als ich in die Küche trete, stehen meine Eltern mit einem breiten Lächeln im Gesicht auf und schließen mich in die Arme.
,,Was machst du denn hier? Wo ist Ethan?“
Ethan. Ethan besucht meine Eltern immer mit mir zusammen. Schließlich wird das so von einem zukünftigen Schwiegersohn erwartet. Zumindest wurde es bis heute von ihm erwartet.
Ich kann nur den Kopf schütteln und dann beginne ich zu weinen, wie ich wohl zuletzt als Kleinkind mit zwei aufgeschlagenen Knien geweint habe. Vielleicht nicht einmal da.
Nach zwei Stunden, in denen ich es geschafft habe, sämtliche Körperflüssigkeiten aus mir zu schwemmen, sitzen wir gemeinsam vor dem Holzofen und starren in die tanzenden Flammen.
Mein Vater bricht als Erster das Schweigen. ,,Vielleicht ist er ja schwul.“
Wir alle fangen an zu lachen.
,,Das habe ich mir tatsächlich auch als Erstes gedacht, als er meinte, wir müssten reden.“, gehe ich schmunzelnd auf seinen Scherz ein.
,,Er ist schon immer so seltsam gelaufen…“, stellt mein Vater mit einem Achselzucken fest.
,,Die Hausschuhe, die ich ihm letztes Wochenende gegeben habe, will ich aber wieder zurück!“, verlangt meine Mutter halb scherzhaft.
,,Und ich will mein LAN-Kabel zurück.“, wirft mein jüngerer Bruder hinterher, der sich seit ein paar Minuten zu uns gesellt hat. Für ihn ist Ethan wie ein älterer Bruder gewesen.
Mein Vater schnalzt missbilligend mit der Zunge. ,,Wir nehmen keine Geschenke zurück.“
Meine Mutter lacht. ,,Doch! Dafür, dass er meine Tochter als Scherbenhaufen zu mir zurückschickt, will ich meine Hausschuhe zurück. Ich habe zu ihm gesagt, er soll auf sie aufpassen.“
Ihre Worte ersticken die lockere Stimmung, auch wenn sie es nicht beabsichtigt hat. Schweigend starren wir wieder in die Flammen, die vor uns im Kaminofen knistern.
,,Habt ihr den Saal jetzt eigentlich gebucht?“, fragt mein Vater nach ein paar Augenblicken.
Ich schüttle den Kopf. Meine Arme umklammern meine Mitte. ,,Nein, zum Glück noch nicht.“
,,Na, wenigstens hat er vor der Hochzeit mit dir Schluss gemacht.“
In den nächsten Monaten werde ich erfahren, dass das der Lieblingsspruch der Leute ist, wenn sie nicht wissen, was sie sonst sagen sollen.
,,Soll ich ihn verprügeln?“, platzt mein Bruder heraus.
Ich lache. ,,Nein, schon ok. Außerdem, wenn ihn jemanden verprügelt, dann bin ich das.“
Wieder lachen wir gemeinsam und eine Wärme, die stärker ist, als die Flammen hinter dem dicken Glas des Ofens, breitet sich tröstlich in meiner Brust aus.


© Lisa Farida 2023-08-07

Genres
Romane & Erzählungen, Lebenshilfe
Stimmung
Emotional, Komisch, Hoffnungsvoll, Inspiring
Hashtags