von EmmaMaria
Darf ich euch meine Geschichte erzählen? Ich bin die Colliehündin Lisha und wohne inzwischen vier Jahre bei meinen Zweibeinern. Anfangs war es etwas nervig mit denen, da die von mir etwas Bestimmtes wollten, aber ich nicht genau wusste was. Nur beim Futtern waren wir uns einig. Wenn es ums Entsorgen ging, begab ich mich in meinen Welpenstall etwas entfernt vom Schlafplatz. Drei- bis viermal sind die beiden mit mir herausgegangen bei Wind und Wetter, kaum waren wir drin, bin ich in meinen Welpenstall geflitzt. Irgendwann ging mir ein Licht auf, ich sollte das wohl draußen erledigen. Also probierte ich es beim nächsten Mal aus. Direkt vor deren Haus hockte ich mich mitten auf die Straße. Warum freuten die sich daraufhin so überschwänglich? Oh, da kam ein Leckerli, wie toll! Das praktizieren die bis heute, allerdings gibt es das Leckerli nur noch beim großen Geschäft. Den Haufen steckt Frauchen dann in einen roten Beutel und wirft ihn in den grünen Metallkasten. Hundeklo nennt sie es. Ich weiß inzwischen, wo die diversen Stellen sind und laufe auf allen Vieren dorthin, dann muss Frauchen meine Hinterlassenschaft nicht so weit tragen. Das riecht nämlich nicht so gut. Für mich ist es nur ein Geruch, Frauchen meint das stinkt.
Nach den vier Jahren habe ich leider immer noch einige Macken, sagen meine Zweibeiner. Ich belle zu viel – bei jedem Motorrad, lauten LKWs und ganz schlimm, bei Kindern auf Tretrollern. Ich kann doch nichts dafür, ich bin ein Hütehund und Kinder sind für mich wie Lämmer, die muss ich einfangen, wenn sie wegrennen. Herrchen und Frauchen halte ich auch zusammen, die dürfen sich beim Gassigang nicht zu weit voneinander entfernen. Ich habe Verlustängste, obwohl ich den beiden vertraue. Ich weiß nicht, warum ich so bin, wie ich bin. Ich habe gehört, dass es manchen Menschen auch so geht wie mir, manche haben sogar Identitätskrisen. Das wäre so, als würde ich denken ich wäre ein Jagdhund und kein Hütehund. Nein, mit der Jagd habe ich nichts am Hut. Im Allgemeinen geht es mir sehr gut mit meinem Rudel. Ich bekomme gutes Futter, Leckerli zur Belohnung, immer frisches Wasser und wir machen Ausflüge in andere Städte. Das finde ich sehr spannend. Dort habe ich sehr viel zu schnuppern und nehme fremde Gerüche auf. Frauchen sagt immer zu mir, dass das für mich so ist, wie für sie Schaufenster anschauen. Ich glaube, sie liebt Buchläden und Wollgeschäfte. Abends strickt sie meistens. Tagsüber sitzt sie an so einem komischen Gerät und haut mit ihren Fingern auf kleine Tasten. Sie meint dazu, dass sie Geschichten und Romane schreibt. Da sitzt sie schon wieder und schlägt auf das Gerät ein. Vorhin konnte ich sie mit lautstarkem Gebell überzeugen, mit mir kurz Ball zu spielen. Das liebe ich, Fußball oder Frisbee, zum Glück habe ich Auslauf in einem großen Garten. Verdammt, sie prügelt schon wieder den Apparat, da muss ich wieder Bellen. Sie versprach mir, dass Herrchen bald kommt und wir dann Gassi gehen. Fein, das gefällt mir.
Wenn ich jetzt trotzdem weiter belle, wird sie mir sicher den Bauch kraulen. Oh ja, das hat mal wieder funktioniert. Ah, das tut mir so gut, dabei kann ich fühlen, wie es ihr geht. Ich will doch, dass es meinen Zweibeinern gut geht. Schließlich bin ich von denen abhängig, wie ein kleines Kind. Was schreibt sie da so intensiv? Etwas über mich? Das wird sicher peinlich. Ich glaube, ich muss mich jetzt sofort artig hinlegen und Ruhe geben, sonst bekomme ich Ärger.
© EmmaMaria 2024-11-09