Hunger I

Maurice Pepshi

von Maurice Pepshi

Story

Während meiner Studienzeit arbeitete ich als Lieferjunge für den alten McAlister, den Fleischer der verschlafenen kleinen Stadt in der ich lebte. Viel weniger gern als ich wollte, aber ich musste irgendwie mein Studium finanzieren. Und der Metzger bezahlte einen hohen Lohn für die Arbeit. McAlisters Laden, „The Knifey“ lag direkt gegenüber vom Büro des Lokalblatts und war wie sein Besitzer weit von seiner besten Zeit entfernt. Ich rümpfte jedes Mal die Nase, wenn ich durch die einst grün gestrichene Tür den Laden betrat.
Es roch stets nach übersäuertem Fleisch, Schweiß und seltsamerweise auch nach verbranntem Schießpulver. Eine Mischung, die es nicht nur einmal schaffte, mir schon beim Betreten den Magen umzudrehen. Direkt hinter der Türschwelle veränderte sich der Boden vom Pflasterstein des Gehwegs zu einem ausgetretenen, fleckigen und löchrigen schwarzem Teppich. Meine Abneigung vor einem Teppich in solch einem Geschäft war, von dem, was man sah, wenn man seinen Blick vom Boden löste aber leicht übertroffen. Hinter schmutzigem, trüben Glas lagen scheinbar willkürlich verteilt Würstchen, Sülzen, Hackfleisch und Fleischteile, die ich keinem Tier hätte zuordnen können. Allesamt von unnatürlich grünlich, blasser Farbe die ich vorher noch nie bei Fleisch gesehen hatte.
Obwohl ich große Abscheu vor dem hegte, was sich mir dort bot, schaffte ich es nicht meine Blicke abzuwenden. Es war fast so als ob es eine hypnotische Wirkung auf mich hätte, wie es dort schwitzend hinter dreckigem Glas lag, als Mahl für die Fliegen und Maden. Und all jene die Mutig genug waren ein Stück davon zu kaufen. In den zwei Jahren, die ich für den alten McAlister gearbeitet habe, begegnete mir nie auch nur ein Ladenkunde. Alle Verkäufe erfolgten auf Bestellung, telefonisch oder per Post als Vorbestellung. Und wurden von mir Geliefert. Oft an Einfamilienhäuser mit pittoresken Vorgärten und äußerst zuvorkommenden Bewohnern die nie zu wenig Trinkgeld gaben und sich stets überschwänglich für meine Mühen bedankten.
Du bist schon wieder zu spät.“ riss mich eine Stimme aus den Gedanken an die abscheulichen Leichenteile. Ich zuckte zusammen und sah auf, in das grimmige Gesicht des Fleischers. Er war ein großer, fetter Mann, mindestens zwei Meter groß, mit öliger Haut und einem gedrungenem Nacken auf dem ein unförmiger Kopf thronte. Seine Augen hatten etwas Unnatürliches, Animalisches das mir jedes Mal, wenn ich in sie sah die Nackenhaare aufstellte. Laut dem Gründungsdatum, das an der blättrigen Tür hing, hätte McAlister schon mindestens 85 sein müssen, aber er sah keinen Tag älter aus als 60. Er sagte mir mal, es sei die gute Ernährung die ihn Jung und agil halte. Eine Lüge nahm ich an, denn so Jung er für sein Alter er auch aussah, wirkte er weitaus weniger gesund. Er hob einen seiner gewaltigen Arme und knallte ein Paket auf die Glastheke, eingewickelt in Paketband und mit Fleischsaft getränktem Metzgerpapier. „Bring das zu den Waltons, drüben am Kai.“ Mit diesen Worten wendete er sich wieder ab, wischte die blutigen Hände an seiner mit Blutverschmierten, einst weißen Schürze ab und ging zurück in den hinteren Teil des Ladens, an dem der Geruch nach übersäuertem Fleisch, Schweiß und seltsamerweise auch verbranntem Schießpulver am stärksten ist.



© Maurice Pepshi 2024-05-05

Genres
Spannung & Horror
Stimmung
Dunkel, Mysteriös, Dark