Hunger oder nur Appetitt?

Janda-Waschek

von Janda-Waschek

Story

Mein Vater, 1945 aus der Gefangenschaft heimgekehrt, hatte aus dieser die Vorliebe oder auch die Idee, für das Nacktbaden mitgebracht.

Es gab in Wien nur eine Möglichkeit diesem Hobby zu frönen, die Hirscheninsel in der Lobau. Vom Uferhaus Roter Hiasl,Endstation einer Wr. Straßenbahn gelangte man mit Zillen, d.s. Ruderboote, über einen Nebenarm der Donau, den Hagel, der dort in die Donau mündete und von dort weiter, über die sogenannten Lacken in das eigentliche Erholungsgebiet des FKK Geländes der Lobau. (FKK=Freikörperkultur). Beim Einsteigen ins Überfuhrboot musste man sich und seine Familie ausweisen. Man musste von jemanden empfohlen sein. Die meisten Gäste waren Akademiker. Mein Vater, kein Akademiker, war Hauptbuchhalter in einem USIA-Betrieb und sein Direktor, ein Russe, stellte ihm dieses Empfehlungsschreiben aus.

Das gesamte Erholungsareal war in einzelne Abschnitte eingeteilt, Liegeplatz für ca. 10 Familien, mit und ohne Kinder, die Namen aus der Nordischen Antike trugen. Wir waren der Gruppe die Teutonen zugeteilt. Unsere Nachbarn waren die Cherusker. Ich erinnere mich auch noch an die Cimbern, die Langobarden.

Ab dem Augenblick, an dem wir unsere Liegedecke ausgebreitet hatten, mussten wir unsere Kleider ablegen. Die Damen durften, aber nicht immer, einfache Höschen tragen.

Es gab Plätze für alle, wo man damals Ball über die Schnur (heute Volleyball), Völkerball und verschiedenes mehr spielen konnte.

Zum Schwimmen gingen wir in die Lacke auch LAVOIR (franz. Waschschüssel) genannt, oder schon fortgeschritten, in den Hagel und in die Donau.

Ein Paradies für uns Kinder, ungezwungen und frei.

Anmerkung am Rande: ich hasse beim Schwimmen noch heute den nassen Fetzen um den Bauch und vermeide ihn, wo nur irgend möglich.

Der 1. Mai jeden Jahres war auch unser Startschuss. Es ging in die Lobau. Nur absolutes Schlechtwetter mit Regen konnte uns abhalten. Auch die Wassertemperatur war nicht relevant.

Ich denke es war in den Ferien 1947. Mutti hatte für mich und meine 5 Jahre jüngere Schwester aus rot-weiß-kariertem Baumwollstoff Kleidchen genäht. Wie waren wir schön!

Auf unserem Lagerplatz angekommen, hängte Mutti unsere Kleidchen sorgfältig über einen dort wachsenden Busch, damit sie nicht schmutzig würden.Das Mittagessen hatte Mutti, wie immer zeitig in der Früh vorbereitet. Meistens gab es Eierspeisbrote mit Schnittlauch. In späteren Jahren „Schnitzel mit Kartoffelsalat“.

Es war ein herrlicher Tag. Herumtollen, mit Papa schwimmen, Ball spielen mit den Nachbarbuben. Die Zeit verging wie im Flug. So gegen 17 Uhr hieß es langsam einräumen, fertig machen zur Heimreise. Wir mussten schließlich mit „Öffis “ nach Ottakring. Als Letztes holte Mutti unsere schönen Kleidchen und starrte mit schreckgeweiteten Augen auf das, was sie in Händen hielt.

Die Kleidchen sahen aus wie „Emmentaler“

Heuschrecken hatten riesige Löcher in den Stoff gefressen.

Was wir zu Heimfahrt angezogen haben?

© Janda-Waschek 2019-07-08