von Gleunigen
Der Vater meines guten Kumpels mahnte früh:
“Passt gut auf. Je breiter der Oberkörper wird, desto kleiner wird der Kopf!”
Mit diesem Slogan warben die quadratischen Trainer bei der Eröffnungsveranstaltung des neuen Fitnessstudios um die Ecke nicht. Sie versuchten speziell bei den hübschen Mädels charmant zu werben und Komplimente zu verteilen. Ich empfand es als so erbärmlich schleimig, dass mein Frühstück beim Zuhören von hinten schon kräftig am Zäpfchen kitzelte. Da sagt der reine Verstand, dass man hier wirklich nur einmalig aus Neugier vorbeischaut.
Ein paar Tage später fanden Flori und ich uns dann auf der Trainingsfläche wieder. Erfolgreich verarztet mit einem übersichtlichen Vertrag. Extra kurze Laufzeit. 24 Monate. Rumms! Wir Vollidioten. Da ist der Kopf vorm ersten Training schon geschrumpft. Ich höre den Clown noch sagen: „Nur heute. Keine Aufnahmegebühr.” Ich denke beziehungsweise hoffe insgeheim, dass wir hypnotisiert wurden. 2 Jahre standen ab sofort auf der Payroll der Zivildienstspacken. Zur Spitzenzeit unserer Feierei muss nicht erwähnt werden, dass gewisse Tage nicht fürs Training infrage kamen. Wochenenden, Donnerstage, Brückentage. Und meistens noch die zwei Tage zum Wochenstart. Kurzum versuchten wir uns streng diszipliniert jeden ersten Mittwoch im Quartal beim Bankdrücken. Nein, nicht die Schulbank. Hinlegen, Stange über einem und hoch damit. Fast wie eine Guillotine. Nur in Stumpf. Nicht auszudenken, welche Verletzungen wir uns mit den 12,5 kg hätten zuziehen können. Wir wurden schnell absolute Kraftbrocken. Nicht! Wir hatten unsern Spaß. Der begann für mich immer schon beim Namen dieses speziellen Bereichs. Körperwerkstatt stand auf der Tür. Ne Werkstatt verbinde ich immer nur mit der Reparatur von Schäden. Den ersten im Kopf bewiesen wir bereits. Wirklich weiterhelfen konnte uns die Werkstatt zum Thema frühzeitige Flucht aus Knebelverträgen leider nicht. Also machten wir das Beste draus und suchten uns die Wohlfühloasen dieses Sporttempels. Entweder auf dem Sitzfahrrad bei Fußballübertragungen am TV. Oder an der Theke. Da bediente meist Uschi. Kein Witz. So hieß sie wirklich. Zumindest waren das die Letter auf dem Namensschild in Hantelform. Da gabs dann auch meinen ersten Whey-Protein-Shake. Damals in Schoko, Vanille oder Erdbeer. Schmeckten alle gleich kacke. Nur in anderer Farbe. Hätte man auch Latte-Physalis-Süßkartoffel-Skisocke draufschreiben können. Genug Platz war auf den Dosen ja. Solche Behältnisse nutzte mein Papa nur für Streusalz am Haus. Bei ganz harten Wintern. Warum soll man sowas trinken? Dann kam der zu Fleisch gewordene 7,5-Tonner aus der Werkstatt gerollt.
“Sauber Männer! Genau so hab ich auch mal angefangen. Guckt mich heute an.“
Ich war so verschreckt, dass meine sonst gut ausgeprägte Schlagfertigkeit wohl noch auf der Bank lag.
“Starker Typ!“
Glücklicherweise hätte er die Ironie auch mit schmalen Schultern nicht verstanden.
© Gleunigen 2021-04-06