Ich bin ein Star. Holt mich hier raus.

Travelbird

von Travelbird

Story

Ich schließe die Tür des »Bugs Cafe« im Herzen von Siem Reap, Kambodscha, hinter mir. Der Name ist Programm. Shane, Jenny, Marc und ich setzen uns an den Tisch, den ich zuvor sicherheitshalber reservierte. »Das hättest du dir sparen können«, knufft mich Jenny in die Seite und zeigt in den Menschenleeren Raum. Außer uns und den Mitarbeitern ist niemand da. Auch die Jungs schauen skeptisch drein. »Sollen wir das echt durchziehen?«

»Liebe geht durch den Magen. Abenteuer auch«, erwidere ich unsicher, aber mit fester Stimme. »Insekten sind gesund und belasten die Umwelt weniger als Kühe und Schweine«, versuche ich uns die Sache schmackhaft zu machen. Jenny studiert die außergewöhnliche Menükarte und ist wenig überzeugt: Ameisen-Frühlingsrollen, Tarantel Donut, Seidenwürmer Bowl, Skorpion am Holzspieß, Wasserkäfer-Pfanne. Alles klar! Hier wird Geschmackssache zur Kopfsache.

Gleich wird sie aufspringen und »Holt mich hier raus. Ich bin ein Star« brüllen. In Gedanken öle ich meine Stimme für ein eventuelles Duett: Mimimi. Derweil haben die Jungs ihren Wetteifer entdeckt und bestellt. Natürlich! Was auch sonst. Es wird der große Insektenteller für Zwei. »Angeber«, entfährt es Jenny und mir zeitgleich. Ich wage mich an den Rote-Ameisen Salat und die Seidenwürmer – gebraten, nicht gekocht. Jenny bestellt nur Wasser und wartet ab.

Das Essen kommt. Man muss es den Khmer lassen: Die Anrichte der Speisen sieht lecker aus. Kross gebackene Tarantel mit Chili Sauce an Papaya Salat, ein gekochter Wasserkäfer auf Reis, Skorpione am Holzspieß und so weiter. Alles top auf einer Schieferplatte drapiert. Wären die Insekten Hühnchen Nuggets, hätten wir genauso gut in Berlin Mitte sitzen können.

Wir wagen es. Ich teste kurz an, ob auch wirklich alles tot ist und ich kein Kribbeln durch Krabbeln im Rachen verspüre werde. Ich hatte so meine Erfahrungen mit lebendigem Essen und war auf keine Widerholung aus. Ich erinnere den Flusskrabben-Salat, der schneller davon rannte, als ich vom Stuhl kippte, die lebendige Raupe, die mir Aborigines als Delikatesse anboten, ich dankend ablehnte, oder die riesige Honig-Ameise, deren leuchtend gelber Popo, leckte man ihn ab, süßlich schmeckte. Die Ameise überlebte meine Schleck-Attacke übrigens. Ob sie sich wohl fragte, welch mieses Karma sie in diese Situation brachte? Wir werden es nie erfahren.

»Bah, das knirscht aber ganz schön zwischen den Zähnen«. Marc kaut sich tapfer durch den Chitinpanzer des Skorpions. »Schmeckt total bitter.« Er sieht rüber zu Shane.

»Wie ist die Spinne?«

»Ganz gut. Mal probieren?«

»Ja«, komme ich Marc zuvor und stopfe mir ein Spinnenbein in den Mund. Außer Frittierfett schmecke ich nichts. Mein Gericht war deutlich besser. Nußig.

Aber eine Dschungel-Prüfung im Leben reicht. Ich klebe uns imaginär fünf gelbe Sterne an die Brust, nehme die grüne Pflanze vom Tisch, binde sie zum Kreis zusammen und kröne unsere Häupter. »König Ekel ist tot, lang lebe Königin Adventuria.«

© Travelbird 2021-02-11

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