von Charlie Keeper
Wir leben in einer Gesellschaft, in der es scheinbar verwerflich ist, introvertiert zu sein. Wie oft musste ich das schon als „Betroffene” selbst erfahren. Und ja, das setze ich bewusst in Anführungsstriche. Denn auch wenn es mir in der Vergangenheit so vermittelt wurde, Introvertiertheit sei etwas Schlimmes, das man versuchen müsse abzulegen, bin ich dennoch davon überzeugt, dass das eine völlig falsche Sichtweise ist. Das Problem ist jedoch eben, dass sich genau diese Sichtweise etabliert hat. Bereits in der Schule, wenn nicht sogar noch früher, fängt der ganze Humbug an und man bekommt das Gefühl vermittelt, man sei falsch in diesem System. Wenn die Lehrer mit den Eltern darüber reden, wie still das Kind sei, dass es sich mehr im Unterricht beteiligen müsse und einfach mal ein bisschen „lebendiger” sein sollte, kommen Selbstzweifel auf. Kritik an seiner Lebendigkeit zu bekommen, ist schon ziemlich skurril, wenn man rückblickend mal darüber nachdenkt. Dabei ist es ja nicht einmal so, dass man nicht ohnehin schon Minderwertigkeitskomplexe hat aufgrund des eigenen direkten Vergleichs mit dem Umfeld. Dann noch von den Eltern und Lehrern immer und immer wieder hören zu müssen, man solle seine Persönlichkeit verändern, um später in dieser Welt bestehen zu können, vermindert natürlich den Druck keineswegs. Und die Unsicherheit nimmt selbstverständlich dadurch auch nicht gerade ab. Und so ist der Druck gewaltig, der schon in einem so frühen Alter auf den kleinen Schultern lastet und nimmt immer weiter zu. Wie soll man sich bitte dabei „einfach mal so” verändern? Ist es nicht schön, wie vielfältig wir doch alle sind? Und wäre es nicht noch schöner, Introvertiertheit und Extrovertiertheit einfach hinzunehmen und zu akzeptieren? Vermutlich ist das vorerst bloß ein Wunschgedanke, an dem ich aber gerne weiter festhalten würde.
© Charlie Keeper 2021-03-28