Nein, ich bin keine Dame!

Sonja Schiff

von Sonja Schiff

Story

Kürzlich wollte es das Schicksal, dass ich ins Fernsehen komme. In eine Sendung, die richtig viele Zuseherinnen hat. Entsprechend zahlreich waren danach die Rückmeldungen. Da riefen Menschen an, bezogen sich auf „die gute alte Zeit“, ich aber hatte deutliche Probleme mich zu erinnern. Wer noch einmal war Stefan? Und wer diese Britta? Ehemalige Familienmitglieder aus erster Ehe meldeten sich und siehe da, das Leben der Anderen war gar nicht so wenig spannend gewesen. Wer hätte das gedacht! Seminarteilnehmer aus grauer Vorzeit meldeten sich und berichteten, wie sehr die Inhalte von damals ihr Leben verändert hatte.

Und dann waren da viele Komplimente. „Toll gemacht“ rief mir der ehemalige Tischnachbar der Krankenpflegeschule via Facebook zu, und die damals eher nicht so angenehme Bürokollegin schrieb verzückt „Gut gebrüllt, Löwin“ mit dahinter hundert Ausrufezeichen.

Wisst Ihr aber, was das häufigste Kompliment nach meinem Fernsehauftritt war? Ich bin eine fesche Dame! Und wisst Ihr, was ich auf keinen Fall in meinem Leben je werden wollte? Richtig! Eine fesche Dame!

Schon während meiner Pubertät rief mein Vater regelmäßig: „Dieses Kind ist einfach nicht zu bändigen!“ Er sollte lange Zeit Recht behalten. Ich habe meinen Eltern, später meinen Ehemännern, aber durchaus auch mir selbst, einiges an Geduld und dicker Haut abverlangt. Da könnte ich der Welt vielleicht was erzählen! Pah! Und auch meine Mutter scheiterte an mir kläglich mit der geplanten Erziehung zu Weiblichkeit und Femininität. „Eine richtige Dame hat immer ein Taschentuch in ihrer Handtasche“, versuchte sie mich etwa eindringlich immer und immer wieder zu lehren. Umsonst! Bis heute trage ich lieber Rucksack! Außerdem: Papier zum Schnäuzen findet man eh in jeder Küche und wenn nicht dort, dann eben am Klo. Notfalls hat auch die Freundin ein Taschentuch in ihrer Handtasche. Also! Problem gelöst!

Nein, eine Dame wollte ich wirklich nie sein. Nie, nie, nie! Schon wenn ich nur das Wort höre, rebelliert jede Zelle meines Ichs. Ich will keine Dame sein! Nein, nein, nein!

Damen sind für mich unentspannte, biedere, verkrampfte, weibliche Wesen, die nur eines im Sinn haben: Zu gefallen! Ich verbinde mit „Dame“ so entsetzliche Anpassung, dass es mir das Herz zusammendrückt und mich durch die daraufhin entstehende Enge in der Brust eine panische Atemnot überfraut. Eine Dame ist innerlich alt, sie trägt ihr Haar in sanft gelegten Wellen, ihre Hände sind immer frisch manikürt, Frankfurter Würstl isst sie ausschließlich mit Gabel und Messer und Sex hatte sie schon jahrelang keinen mehr. Also so richtigen Sex, ihr wisst schon! Diesen nicht damenhaften Sex!

Tja, kürzlich war ich also im Fernsehen. Das häufigste Kompliment danach? „So a fesche Dame!“

Ich habe 48 Stunden und eine Flasche Tequila gebraucht, um das zu verdauen. Danach habe ich mir mein einzige Paar rote High Heels angeschnallt und stolpernd festgestellt: So ein Glück! Ich bin wirklich keine Dame!

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© Sonja Schiff 2020-04-08

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