Ich bin schwul!

Collin Nichol

von Collin Nichol

Story

Hallo, mein Name ist Collin, ich bin ein Kind der 90er und schwul.

Ein großes Dankeschön an alle, die Menschen um deren Menschsein lieben und nicht verachten, weil sie eine andere Sexualität, Hautfarbe oder politische Meinung haben.

Oft werde ich gefragt, ob ich geoutet bin. Ich antworte immer ja, teilweise. Ich persönlich habe ja absolut kein Problem damit. Von mir aus können es alle Menschen wissen. Ich finde, es macht keinen Unterschied. Ich bin trotzdem der gleiche, liebe, nette, verrückte, komische, lustige Typ, der seine Fehler und Schwächen sowie seine Stärken und Extras hat.
Das einzige, was mich etwas hemmt, ist die Sorge um meine Eltern. Wie schon mal in einer anderen Geschichte erwähnt, sind meine Eltern sehr religiös und können mit meiner Homosexualität nicht wirklich etwas anfangen. Und da ich nicht will, dass sie von jemanden blöd angesprochen werden, erzähle ich es Menschen aus meinem „alten“ Leben weniger gerne.

Wem erzählt man das nun und wem nicht? Diese Frage stelle ich mir recht häufig. Vor allem, wenn man gute Freude von „früher“ wieder trifft.
Neulich hatte ich mich Mona, mit der ich vor Jahren einmal im Marketing einer großen Firma zusammengearbeitet hatte, zum Abendessen eingeladen. Ich weiß nicht warum, aber ich dachte mir, heute erzähle ich ihr von mir.
Ganz gefuchst, hatte ich die Info in einen Nebensatz einfließen lassen und im Redefluss wechselte ich relativ schnell das Thema. Sie war zwar etwas überrascht, gab dann aber zu, dass sie sich das schon gedacht hatte. Sie erzählte mir dafür, dass sie mit ihrem neuen Freund eine offene Beziehung führte. Ob sie mir diese Information auch sonst gegeben hätte?

Kirsten, auch eine ehemalige Kollegin von mir, habe ich noch nie geschafft, es zu erzählen bzw. habe ich bei ihr das Gefühl, dass es absolut nicht notwendig ist.

Jason, mit dem ich seit ein paar Monaten schreibe, den ich auch noch nie getroffen habe, hat sich bei mir einmal entschuldigt, weil er nicht geoutet ist. Alles easy. Muss man doch auch nicht. Was macht es für einen Unterschied? Es ändert ja nichts daran, wie man als Mensch ist bzw. wer man ist. Who am I to judge?

Derzeit arbeite ich in einem eher konservativen Unternehmen. Dass ich schwul bin, weiß dort niemand. Ich wurde gefragt, ob ich eine Freundin habe. Nein, habe ich derzeit nicht. Das ist ja nicht einmal gelogen. Wenn mich jemand fragen würde, würde ich selbstverständlich die Wahrheit sagen. Aber für mich persönlich ist es nichts, was ich meinen Mitmenschen auf die Nase binden muss. Vor allem geht mein Privatleben niemanden an meinem Arbeitsplatz etwas an.

Ist es also eine Information, die man mitteilen muss? Ist es relevant? Gehen die Mitmenschen dann anders mit dir um?
Wird man anders behandelt? „Die anderen anders sein lassen, damit ich ich selbst sein kann!“. So möge es sein.


© Collin Nichol 2023-09-12

Genres
Romane & Erzählungen, Lebenshilfe
Stimmung
Emotional, Unbeschwert