Ich bin zu cool fĂŒr die Weight Watchers! #2

Till Aigner

von Till Aigner

Story

Als ich im FrĂŒhsommer 2018 mit Mitte 40 bei meinem Arzt auf der Waage stand und an Ort und Stelle die Entscheidung traf, dass sich ab jetzt alles Ă€ndern mĂŒsse, fĂŒhlte sich das zum ersten Mal so richtig ernsthaft und bedeutungsvoll fĂŒr mich an, so nach: „Jetzt aber wirklich! Ich zieh’ das jetzt durch! Was auf meine Euphorie-Ekstase folgte, war 
 also 
 wie soll ich es formulieren 
? Nichts. Gar nichts. Es passierte wirklich NICHTS.

Ich hatte mich schließlich so dermaßen auf mein großes Ziel vom super-duper-Traumbody versteift, dass ich alles hundertfĂŒnfzig Prozent perfekt angehen wollte. Perfekte ErnĂ€hrung, perfekter Sport, perfektes Umfeld, perfekte Bedingungen. Von jetzt an wĂŒrde ich nichts mehr dem Zufall ĂŒberlassen.Das Problem: auf das perfekte Setting kannst du ewig warten. Es wird nicht kommen. Schachmatt.

Ich habe damals eineinhalb Jahre wie bescheuert in meiner Schachmattposition verharrt. WĂ€re mir bewusst gewesen, was mir heute bewusst ist, dann hĂ€tte ich bei meinem Arzt direkt von der Waage steigen und sofort loslegen können. Stattdessen stagnierte mein körperlicher Zustand nicht einfach nur, sondern es ging weiter bergab. Naja, eigentlich – wenn ich die Waage noch einmal als Maßstab nehme – ging es eher weiter bergauf.

Irgendwann wurde mir bewusst, dass ich nicht einfach nur Ă€lter wurde, sondern Ă€lter UND fetter. Diese Erkenntnis entfachte endlich noch einmal das Feuer an der Lunte meiner Midlife-Crisis-Bombe, die dann schließlich endgĂŒltig explodierte.

Frei nach dem Philosophen Paul Watzlawick musste ich nun etwas tun, was ich noch nie getan hatte, um etwas zu bekommen, was ich noch nie hatte. Meine Idee: Ich wĂŒrde zu den Weight Watchers gehen.

Aber Moment mal! Sind die Weight Watchers nicht diese dicken, ĂŒberwiegend weiblichen Menschen, die sich im Stuhlkreis auf die Waage stellen und sich dann gegenseitig ihr Leid darĂŒber klagen, wie fett sie sind? Nur um anschließend zu einer Tupperware- oder Kerzenparty zu rollen, wo sie es dann bei lecker Eierlikörchen und Knabbereien so richtig krachen lassen? Und bei der nĂ€chsten erfolglosen Wiegesession in der Manege des Weight-Watchers-Zirkus schieben sie ihre ausbleibenden Gewichtsverluste dann auf ihre ach so schlechten Gene oder ihren Stoffwechsel, der ja irgendwie kaputt sein muss.

Da sollte ich hin? ICH? Nicht im Ernst, oder? Wie tief muss ein super cooler Typ – wie ich ja eigentlich einer bin – im Schlamassel stecken, um auch nur ansatzweise in ErwĂ€gung zu ziehen, sich in einer derartigen Hölle fĂŒr Übergewichtige der LĂ€cherlichkeit preiszugeben?

„Hallo, ich bin der Till, ich wiege 100 Kilo, Kategorie Vollfettstufe und ich bin hier, um gemeinsam mit euch Knödelfeen endlich abzunehmen, wie auch immer das funktionieren soll.“ Nee, das konnte doch nicht mein Ernst sein.

Doch! Im Dezember 2019 unterschrieb ich trotz aller Vorurteile den Vertrag bei den Weight Watchers und war unendlich gespannt, was nun passieren wĂŒrde.

© Till Aigner 2023-01-14

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