Ich entdecke Österreich

Tabitha Schnöller

von Tabitha Schnöller

Story

Sommerurlaub machen wir jedes Jahr. Das ist den Eltern wichtig. Während wir in meinen ersten zehn Lebensjahren auch immer wieder ‚hier‘ bleiben und in einem der Bundesländer Urlaub machen, zieht es die Eltern und somit auch uns Kinder eigentlich immer über die Nationalgrenzen. Denn Urlaub zu machen bedeutet Österreich zu verlassen. Ausgenommen von dieser Regel ist lediglich der Schiurlaub.

Der Papa mag nämlich das Wetter in Österreich nicht. Das ist zu unbeständig. Auch das Wandern mag er nicht. Das hat er als Kind immer mit den Großeltern tun müssen. Jetzt kann er selbst bestimmen und verweigert. Der Papa mag auch die Seen nicht. Die sind zu kalt. Das Meer kann auch kalt sein, aber das ist etwas anderes. Die Mama liebt die Wärme und das Meer. Am liebsten hätte sie eine kleine Strandbar auf einer der griechischen Inseln. Ein Urlaub in Österreich kann diesem Traum keine Abhilfe verschaffen. Daher begrüßt auch sie die sommerliche Flucht in den Süden.

Mit 18 Jahren beginne ich ohne elterliche Aufsicht zu verreisen. Da ich es nicht anders kenne, suche ich mir meine Reiseziele stets jenseits der österreichischen Grenzen. Aber selbst Europa ist mir teilweise nicht mehr groß genug und ich peile Städte, Länder, Orte auf anderen Kontinenten an – beginne Stempel im Pass zu sammeln.

Vor drei Jahren meldet sich dann aber meine bis dahin unterdrückte Wanderlust und die Begeisterung für die Berge. Ich beginne in Österreich Kurztrips zu machen, das Land zu entdecken. Jedes Mal bin ich vom Bergpanorama und den Heimatfilm-Kulissen, die sich vor mir erstrecken, aufs Neue fasziniert. Ich nehme den Anblick der saftig grünen Almen und blauen Seen in mich auf. Mache tiefe Atemzüge und fülle meine Lunge mit der frischen Bergluft. Bin von jeder Kuh, die mir auf dem Weg zum Gipfel begegnet, entzückt.

Gleichzeitig nutze ich verlängerte Wochenenden dazu, den imaginären Städte-Pass voll zu kriegen. Zu meiner Schande muss ich nämlich gestehen, dass ich bis vor drei Jahren keine einzige der Landeshauptstädte gekannt habe – ausgenommen Wien und Salzburg. Stimmt nicht: Als Kind war ich wohl einmal in Klagenfurt. Zumindest gibt es ein Homevideo, auf dem der Papa den kompletten Minimundus gefilmt hat, was zum Anschauen nur mäßig spannend ist. Da ich mich nur sehr dunkel an den Lindwurm erinnern kann, zählt dieser Besuch aber nicht. Also begebe ich mich auf Sightseeing-Tour durch die österreichischen Hauptstädte – Innsbruck, Graz, Klagenfurt, St. Pölten. Fehlen aktuell noch Bregenz, Linz und Eisenstadt.

Urlaubstechnisch halte ich den Eltern aber bis heute nur eines vor: Wir haben nie einen Bauernhof-Urlaub gemacht und ich habe noch nie eine Kuh gemolken. Sie sind von dem Vorwurf wenig berührt. Letztes Jahr hänge ich mich daher bei Papas Familienseite an und fahre mit den Großeltern, der Tante und den Cousinen auf ihren Stamm-Bauernhof. Ist schön da. Kuh gemolken habe ich aber wieder nicht. Was mir vorher niemand gesagt hat: Der Hof hält nur Stiere.

© Tabitha Schnöller 2020-09-08

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