Ich hab geträumt von Manderley

Sonja M. Winkler

von Sonja M. Winkler

Story

Von den angelsächsischen Kritikern werden ihre Werke kaum als hochwertige Literatur eingeschätzt. Das Lesepublikum war jedoch damals, als der Roman erschien, anderer Meinung. 1940 kam der Film von Hitchcock ins Kino, mit Lawrence Olivier in der Hauptrolle, und „Rebecca“ heimste 11 Oscars ein.

Mein Sohn, ein begeisterter Musical-Fan und Kenner der Szene, lud mich diese Woche ins Raimundtheater ein.

„Rebecca“ war, als ich studierte, Pflichtlektüre und stand auf der Leseliste. Nach der Lehramtsprüfung hab ich mich von vielen Büchern getrennt. Auch Daphne du Maurier’s „Rebecca“ hab ich weggegeben. Geblieben sind jedoch vage Erinnerungen, die wie Nebelfetzen über dem Herrenhaus Manderley hängen und zum Boothaus am brausenden Meer hinziehen, an die Steilküste Cornwalls.

Das Raimundtheater ist unter der Woche nicht voll ausgelastet. Von unseren Plätzen im 2. Rang sahen wir gut auf die Bühne. Das Bühnenbild ist abwechslungsreich und besticht durch den Einsatz von Videoprojektionen, die ihre Wirkung nicht verfehlen. Die Melodien sind eingängig, Kunze und Levay ein eingespieltes Team. Ein schönes Erlebnis.

Gleich nach der ersten Szene, die uns in ein Hotel in Monte Carlo führt, überkommt mich eine eigenartige Stimmung, und schon tauche ich ein in das spannungsgeladene Beziehungsgeflecht im Hause Manderley. Es entspinnt sich ein Kampf zweier Frauen, spannungsgeladen wie immer, wenn Gut und Böse aufeinandertreffen, hier verteilt auf zwei Figuren, die neue Mrs de Winter und die alte Haushälterin, die an der unter mysteriösen Umständen zu Tode gekommenen Rebecca zu hängen scheint, der früheren Mrs de Winter.

Der Roman, der Züge eines Thrillers aufweist, gehört dem Genre der „Gothic Novel“ an. Dass Daphne du Maurier (1907 – 1989) die Handlung in Cornwall spielen lässt, ist kein Zufall. Im Alter von 19 Jahren verbrachte sie einen Urlaub in dieser Gegend, in die sich so sehr verliebte, dass in ihr der Wunsch erwuchs, sich später einmal dort wohnlich niederzulassen. Bis es so weit ist, lässt sie viele ihrer Geschichten in diesem Sehnsuchtsort spielen.

1932 heiratet Daphne du Maurier den Leutnant-General Browning, dem sie drei Kinder schenkt. Als Browning nach Ägypten beordert wird, folgt sie ihm. Sie beginnt die Arbeit an „Rebecca“, doch das Schreiben geht ihr nicht von der Hand. Nach ihrer Rückkehr vollendet sie schließlich „Rebecca“ in Windeseile. Der Roman erscheint 1938 und ist ein Erfolg.

1943 zieht Daphne du Maurier samt Familie in das Herrenhaus in Cornwall, das als Vorbild für „Manderley“ diente. Sie bleiben dort wohnen, bis der Pachtvertrag 1969 ausläuft und die Besitzer das Haus für sich beanspruchen.

Ihre lesbische Neigung muss Daphne du Maurier zeitlebens unterdrücken. Vor diesem Hintergrund erscheinen die Gefühle der Haushälterin für Rebecca in einem anderen Licht. In der Schlussszene legt sie Feuer. „Manderley“ geht in Flammen auf. Das Böse verbrennt. Das Gute siegt. Das ist immer die Liebe.

© Sonja M. Winkler 2022-11-19

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