Wiener HonigkuchenGIRAFFENgrinsen

Claudia Schwarz

von Claudia Schwarz

Story

Giraffen in Wien?

Es gibt Giraffiges in Wien. Und zwar an einem besonderen Ort im 22. Bezirk:

Metallklimpern, schlurfen, das schlapp-schlapp von Flip-Flops, „zu“, „top“, „ab“, „ahhhhhhhh, fuck“, einschlagende Hände

der Blick wandert nach oben, dabei geht der Kopf in den Nacken, der Blick wandert noch höher, wow, da will ich auch rauf, unzählige Farben, leuchtende Augen

ein besonderer Geruch, eine Prise Staub, viel Held bzw. Heldin (= Schweiß) und nicht zu vergessen: Füße – ohne die geht hier nix und niemand, schon gar nicht vertikal

Karabiner baumeln an Hüftgurten, Seile gleiten durch Hände, Schwielen an selbigen, leichte Griffe, schwere Griffe, nahe Griffe und weeeeit entfernte Griffe

der Schwerkraft ein Schnippchen schlagen, hinauftanzen und herabgleiten, auch abgleiten und neu versuchen

Dieser besondere Ort ist die Kletterhalle Wien.

Und die Giraffenroute, so heißt sie für mich, seit ich sie das erste Mal gesehen habe, ist eine ganz bestimmte Route. Sie zieht sich überhängend durch das Hauptdach der Halle. Und ihre Griffe sind gelb mit roten Punkten, eindeutig giraffig.

Unzählige Male bin ich bisher eingestiegen.

Heute ist es wieder soweit:

Erste Exe – nö, nicht Echse, tatsächlich Exe, kommt von Expresse, das sind die „Zwischenhaken“ bei denen man sich sichert. Also, erste Exe, zweite Exe, „zu“.

„Zu“ bedeutet für den sicherenden Partner, dass er das Seil stramm zieht und hält, für einen selbst bedeutet es: in den Gurt setzen, Hände und Füße lockern, chalken (das handschweißsaugende weiße Zeug), verschnaufen und – man will da ja nicht ewig hängen – die nächsten Züge planen.

Geplant, getan. Nächste Exe, klack, Seil eingehängt. Nächste, puh.

Ich gewinne an Höhe, die Luft unter mir wird mehr. Das Gute am Überhang ist: Die Luft unter mir tut nicht weh, wenn ich falle. Das Schlechte ist: diese Luft ist verdammt anziehend.

„Zu“. Meine Unterarme sind dick und hart. Aua. Pause. Noch ein bissl Pause. Nicht jammern, weiter. Die eine noch, dann hab ich eine Exe mehr als beim letzten Versuch. Mein Gewicht hängt noch im Gurt, der mit dem Seil mit meinem Kletterpartner verbunden ist. Er hält mich. Und dann halte ich mich wieder selbst. Und hoch!

Ich halte meine Hüfte möglichst nah an der Wand, spanne meinen gesamten Körper an, strecke mein Bein, löse eine Hand und hebe den Arm. Der nächste Griff ist gut, es hält, ich halte mich! Meine Beine gehorchen kurz der Schwerkraft mehr als mir und baumeln weg von der Wand, Richtung Luft. Doch ich kann sie zurück beordern, Hände, Füße, Hüfte, wieder alles da, da an der Wand, die ich hoch will. Seil hängt.

Und dann , als es auf nichts mehr ankommt, ich bin ja schon weiter als je zuvor, erreiche ich eine Exe nach der anderen. Und dann: „top“! Ich habe den höchsten Punkt erreicht. Yeah!

Mein Kletterpartner seilt mich ab. Mitten in der Halle gleite ich adrenalinrauschig herab: mit strahlenden Augen und einem mega Honigkuchengiraffengrinsen rund ums Gesicht. Geschafft! Yeah, yeah!

© Claudia Schwarz 2020-04-19

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