von Jessy
Ich starre auf den Bildschirm und meine Mama ist am Telefon.
„Hey Mama, was gibt’s?“ Sie braucht einen Moment, bevor sie antwortet.
„Wo bist du?“, antwortet sie mit einer verwirrten und schwachen Stimme. So verwirrt sie auch klingt, ich bin viel verwirrter. Wir haben ihr erzählt, wo wir hinfahren.“
„Mama, wir sind bei Herbis Zuhause. Er besucht seine Freunde und ich sitze beim Thalia und lese. Das habe ich dir doch erzählt.“, probiere ich ihr zu erklären.
„Wo bist du?“, fragt sie noch einmal und dann ist sie auch schon weg. Einfach aufgelegt! Oh nein, ich probiere sie anzurufen, aber niemand geht ran. Ich drücke erneut die Anrufstaste, noch einmal und noch einmal, aber nichts geschieht. Ich beruhige mich und atme tief durch, danach wähle ich die Nummer meines kleinen Bruders und er geht zum Glück ran!
„Jan, ist Mama Zuhause? Schau bitte mal im Wohnzimmer und Schlafzimmer nach!“, es war mehr ein Befehl als eine Bitte, aber ich bin in Sorge.
Es dauert nicht lange, bis er antwortet: „Nein, sie ist weder im Wohnzimmer noch im Schlafzimmer oder in irgendeinem anderen Raum. Wieso, was ist los?“, jetzt bekommt es auch Jan mit der Angst zu tun, aber ich werde mir nichts anmerken lassen.
„Nichts Kleiner, ich wollte Mama nur etwas fragen. Vielleicht ist sie ja gerade einkaufen. Bis später, Kleiner!“, ich lege auf, bevor er etwas erwidern kann, da ich schleunigst Herbi anrufen muss. Ich erkläre ihm in kurzen Sätzen was gerade geschehen ist, da holt er mich auch schon ab. Er fährt nach Hause, da ich mich nicht wohl fühle. Ich stecke meine Kopfhörer in meine Ohren, lasse meine Lieblingsplaylist laufen und ignoriere die Situation so gut es geht.
Während der ganzen Fahrt über bin ich in Sorge wegen meiner Mama. Ich bin weder fähig, jemanden zu schreiben, noch kann ich mich auf die Musik konzentrieren. Mein Gemütszustand verschlechtert sich von Sekunde zu Sekunde. Ein Gefühl der Hilflosigkeit wächst tief in mir und lässt mich nicht los. Es nagt an mir, es zerfrisst mich innerlich, bis meine Seele nur mehr aus kaputten Scherben besteht, die niemand aufsammeln will, weil jeder Angst hat, er könne sich daran schneiden. Ich schließe meine Augen und mache einige tiefe Atemzüge, denn plötzlich fühlt es sich so an, als bekäme ich eine Panikattacke. Meine Brust zieht sich zusammen, sie brennt und wird so schmal, dass kaum Luft durch sie gelingt. Meine Lungen scheinen zu kollabieren, da sie keinen Sauerstoff mehr aufnehmen. Ich glaube zu ersticken, mein Herzschlag wird langsamer, nein er rast. Wieso rast mein Herz? Das ist nicht real! Das alles ist nicht real! Verdammt, mein Körper lässt mich nicht im Stich, das alles sind nur meine Gedanken und die müssen verschwinden. Einen Atemzug nach dem anderen, du kannst das!
© Jessy 2021-03-31