Ich höre schon den Aufschrei jener, denen Weihnachten viel bedeutet, und zugleich auch ein zustimmendes Ja von einigen, denen es genau so geht wie mir. Aber es ist einfach so: Ich kann Weihnachten nicht leiden! Weihnachten macht mir nur Stress, obwohl jetzt, nachdem meine Mutter schon 14 Jahre tot ist, der hauptsächliche Stressfaktor weggefallen ist. Aber die Abneigung sitzt wohl zu tief.
Schon in meiner Kindheit war es nicht so einfach. Zuerst wurde Weihnachten mit meinen Eltern gefeiert. Unter dem Christbaum musste ich das Gedicht aufsagen, das wir in der Schule dafür gelernt hatten. Dann gingen wir hinunter ins Parterre zu den Großeltern. Dort gab es noch einmal eine Bescherung samt Baum, aber verschärfend dazu noch Hausmusik. Opa und Papa mit der Geige, ich mit der Blockflöte, Omi und Mama als Sängerinnen. An den folgenden Tagen brach dann die Verwandtschaft über uns herein, denn meine Großmutter hatte gerne Gäste.
Nachdem mein Vater gestorben war, schaffte meine Mutter einen Plastikbaum an, der, fertig geschmückt, das ganze Jahr unter einer Plastikfolie schlummerte, bis er zu Weihnachten auf den Tisch gestellt und dann mit den Worten “Haben wir es wieder einmal überstanden” wieder weggeräumt wurde. Geschenke gab es aber immer jede Menge.
Später folgten dann die kompliziertesten Weihnachtsveranstaltungen, denn meine Mutter, meine Schwiegermutter und deren alleinstehende, kinderlose Schwester wollten natürlich dabei sein, wenn unser kleiner Sohn den Baum und die Geschenke bestaunte.
Allein die Logistik war herausfordernd, denn es gab vielerlei zu beachten: Zeitpunkt (Nicht zu spät, da meine Mutter wieder zurück nach Niederösterreich fahren wollte.), Essenswahl (Jede wollte etwas anderes nicht, daraus folgte Kalte Platte als das einzige, das alle wollten.), Geschenke für mich, meinen Mann und vor allem natürlich für unseren Sohn, den alle drei alten Damen, die ansonsten gewisse Vorbehalte gegeneinander hegten, einhellig heiß liebten („Besorg´ du etwas für den Kleinen und für euch – hier hast du das Geld!“ – und das mal drei. Meine Mutter, die Wohlhabendste der drei, war aber stets darauf bedacht, das Teuerste zu schenken.), Geschenke für die drei Damen (Für Schwiegermutter und Tante musste mein Mann sorgen, aber meine Mutter war mein Problem.), Ablauf der Feier (Kurz, nicht zu christlich, aber mit Gebet und “Stille Nacht” aus dem Radio, ohne Evangelium.). Nur unser Sohn, von dem ich das alles möglichst fernhielt, fand es schön mit den vielen Leuten, die ihn alle sehr liebten.
Als die drei alten Damen dann innerhalb von 16 Monaten starben, war es natürlich plötzlich sehr einfach, nur mit Mann und Sohn, die beide friedlich und anspruchslos sind. Geschenke haben wir weitestgehend abgeschafft, als Brauch überlebt hat interessanterweise die Kalte Platte.
Trotzdem kann ich Weihnachten nicht leiden, zu tief sitzen wohl die Erinnerungen. Heute bin ich es, die sagt: “Haben wir es wieder einmal überstanden!”
© 2021-12-12