Ich liebe das Chaos auf meinem Schreibtisch

Christine BĂŒttner

von Christine BĂŒttner

Story
Graz, Österreich

Als ich noch meinen Beruf an einer höheren Schule als Professorin ausĂŒbte, da gab es eine PrioritĂ€t: Ordnung muss sein! Ob es sich um die Aufzeichnungen ĂŒber die Mitarbeiten, die Schularbeiten, Literaturtests oder PrĂ€sentationen meiner SchĂŒler:innen handelte, meine Mappen waren vorbildlich und jederzeit auffindbar. Im Lehrberuf geht es nicht ohne Ordnung, die Aufzeichnungen wurden penibel eingetragen, denn eine „gerechte“ Note ergab sich aus genauen Aufzeichnungen im Unterricht. Mein Schreibtisch war wirklich jederzeit herzeigbar, denn so vergeudete ich mit Suchen keine Zeit.

Ganz anders in der Pension, denn ab diesem Zeitpunkt musste ich nicht mehr funktionieren und genoss es sehr, dass sich Zeitschriften, BĂŒcher, aber auch jede Menge Notizen auf meinem heiß geliebten Schreibtisch stapelten. Der mit einer Glitzerkugel ausgestattete Bleistift oder unzĂ€hlige NotizbĂŒcher lassen die schöne grĂŒne Schreibtischplatte oftmals verschwinden. Bei meinem Schreibtisch handelt es sich um ein „Uraltexemplar“ aus den 70er Jahren, das ich nach der Pensionierung meines Vaters vererbt bekam. Auf ihm kann ich viel unterbringen und die tiefen FĂ€cher und Schubladen sind randvoll. Von einem Ordnungssystem kann man wirklich nicht sprechen, deshalb nennt mich mein Mann heute „Chaosqueen“, denn er sieht ja nur die „Unordnung“ und nicht das kreative Chaos, in dem ich mich wunderbar zurechtfinde.

Meine Nichte Sandra schenkte mir aus diesem Grund zu meinem Geburtstag ein kleines gerahmtes Plakat mit folgendem Zitat: „Das ist kein Chaos, das ist kreative Schreibtischgestaltung!“ Mein Mann und ich lachten herzlich ĂŒber dieses originelle Geschenk, das den Nagel auf den Kopf traf. Ich gebe ehrlich zu, dass ich es genieße, auf meinem großen Schreibtisch zu kramen und vor allem immer die richtigen Aufzeichnungen fĂŒr meine Geschichten zu finden. Außerdem platzierte ich einen Spruch von Albert Einstein in Augenhöhe, der jeden zum Schmunzeln bringt. „Wenn ein unordentlicher Schreibtisch einen unordentlichen Geist reprĂ€sentiert, was sagt dann ein leerer Schreibtisch ĂŒber den Menschen aus, der ihn benutzt?“ Ich denke mir, dass sich mein „papierene Durcheinander“ locker ertragen lĂ€sst, denn bis heute haben sich in einer schmutzigen Kaffeetasse noch keine Mikroorganismen bilden können. Obwohl ich aufzeigen möchte, dass der Mikrobiologe Alexander Fleming das Penicillin nur deshalb entdeckte, weil er auf seinem Schreibtisch zwei Petrischalen mit Pilzkulturen vor seinem Urlaub vergessen hatte. Als er zurĂŒckkehrte, entdeckte er den Schimmelpilz, aus dem Penizillin gewonnen werden konnte.

Debra Trampe hat in Untersuchungen an der UniversitĂ€t Groningen festgestellt, dass ein Tohuwbohu auf dem Schreibtisch hilft, einfacher zu denken und dazu fĂŒhrt, dass bei Problemen kreative Lösungen entdeckt werden. Das Chaos bietet dem Gehirn Ablenkung, so entfalten sich viele Impulse und daraus entstehen tolle Ideen, die spontan ausprobiert werden. FĂŒr den Psychotherapeuten Meike Parussell bedeutet KreativitĂ€t, Dinge in einem anderen Betrachtungswinkel zu sehen. Chaos macht offen fĂŒr Neues und das ist mein Schreibcredo geworden!

© Christine BĂŒttner 2023-05-13

Genres
Humor& Satire, Lebenshilfe
Stimmung
Komisch, Entspannend
Hashtags