Ich liebe einen Narzissten

Nora Beiteke

von Nora Beiteke

Story

Ich ertrage es nicht, wie er Jolene ansieht. Ich wünschte, wir wären nicht zu ihrer Einweihungsparty gegangen. Er lacht mit ihr, macht ihr ein Kompliment für ihr enges, pinkes Kleid. Ich weiß nicht, wann er mir zuletzt ein Kompliment gemacht hat. Ich höre seit langem nur Kritik von ihm: rote Schuhe gehen gar nicht, ich ertrage deine Fernseh-Serie nicht, deine Freundin ist auch nicht die hellste… so geht es tagein, tagaus. Er berührt Jolene am Arm und ich stehe wie bestellt und nicht abgeholt daneben. Ich brauche frische Luft und gehe auf die Terrasse. In die Sterne blickend denke an unsere Anfänge: seine romantische Art, die Gedichte, die langen Nacht-Spaziergänge, die tiefen Gespräche. Wo ist er nur geblieben, der Mann, in den ich mich verliebt habe?

Auf einmal steht er neben mir, zündet sich eine Zigarette an. „Na, was bist du heute schon wieder für eine Spielverderberin?“ Ist das sein Ernst? „Ich dachte, wir sind zusammen auf dieser Party. Seit Stunden ignorierst du mich und redest die ganze Zeit mit Jolene“ entgegne ich genervt. Er wendet sich mir jetzt zu, schaut mich abschätzig an. „Du wirst dich ja wohl mal ne Weile allein beschäftigen können. Ach ne, das kannst du ja sonst auch nicht.“ Er versteht mich einfach nicht. „Ich würde mir einfach wünschen, dass du manchmal zu mir rüberkommst. Deinen Arm um mich legst, kurz mit mir quatscht.“ „Bin ich echt nicht so erpicht drauf, so wie du heute wieder aussiehst. Du weißt, dass ich dein Kleid nicht mag. Und dieses lange Gesicht, das du ziehst, geht mir auch auf die Nerven. Kannst ja mit Daniel quatschen.“

„So wichtig ist das Kleid nun auch nicht, ich meine, ich bin deine Freundin! Wieso zeigst du das nie?“ Er verdreht die Augen. „Tja, wenn du dich mal wie meine Freundin benehmen würdest. Stattdessen tanzt du auf Partys mit anderen. Also stell dich jetzt mal nicht so an, das verdirbt mir den ganzen Abend.“ Ich fasse es nicht, dass er schon wieder mit der alten Geschichte anfängt. „Das ist einmal passiert, ich war betrunken, und ich dachte, das hätten wir hinter uns gelassen. Ich hab nur mit ihm getanzt! Du kannst mich doch nicht immer noch dafür abstrafen!“ „Ach, Baby,“ sagt er ganz kühl „es geht ums Prinzip. Du bist und bleibst eine kleine Schlampe. Das ist einfach Teil deines Wesens. Du kleidest dich wie eine, und du benimmst dich wie eine.“

„So ein Quatsch! Ich flirte nicht, ich hab mich nur mal mit wem anders unterhalten und selbst das traue ich mich nicht mehr!“ Meine Hände zittern. „Warum bist du dann überhaupt mit mir zusammen? Warum hackst du immer wieder auf mir herum?“ „Weil ich dich liebe, Baby. Ich bin dir verfallen, dir kleinen Schlampe, und jetzt muss ich dich ertragen. Und ertragen, dass du mich auf Partys blamierst oder anquengelst.“Ich weiß nicht wie oft ich das Gespräch mit ihm schon geführt habe. Aber heute kann ich nicht mehr. Ich will nicht mehr. Der letzte Rest von meinem Whiskey-Cola landet in seinem Gesicht. „Du kannst mich mal! Such dir eine andere „Schlampe“. Ich verlasse dich!“ Sein Gesicht sieht überrascht und getroffen aus unter den Cola-Tropfen. Ich höre nicht mehr was er sagt, denn ich bin schon aus der Tür. Das Schloss werde ich heute Nacht noch wechseln. Und seine Sachen einzeln vom Balkon in den Vorgarten schmeißen.

© Nora Beiteke 2024-03-10

Genres
Romane & Erzählungen
Stimmung
Herausfordernd, Dunkel, Emotional, Hoffnungsvoll, Inspirierend
Hashtags